Actions

Work Header

Endstation Limbus

Chapter 22: Epilog:

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Adam hatte ihnen fünf andere Namen gegeben. Unter sich nannten sie sich jedoch Linda, Beth, Trisha, Sandra und Mona.
Es gab hunderte Exorzisten und auch wenn nicht jedes Mitglied von ihnen die Ehre bekam, an jeder Auslöschung teilzunehmen und an Adams Seite zu kämpfen, so war ihre fünfergruppe eine eingeschworene Einheit.
Bis jetzt hatte keiner von ihnen im Himmel bleiben müssen, an diesen Heiligen Tag, wo der Himmel sein Urteil sprach.
Niemand aus ihrer Clique wurde zur Strafarbeit in der Botschaft versetzt.
Sie gehörten neben Lute zu den stärksten Engeln. Jene denen es erlaubt war alleine zu Jagen, oder in kleineren Rudeln statt in gewaltigen Schwärmen und Formationen.
Jede von ihnen war wie berauscht. Fühlten sich erhaben, selbstgefällig und gut.
Gerade jetzt streckte sich Beth und versuchte dabei grazil zu wirken. Sandra zu beeindrucken.
Es hatte einen mäßigen Erfolg.
Beth war nicht gerade ein zarter Engel.
Sie hatte die breiten Schultern und Hüften einer Amazone und war auch so gebaut.
Gleichzeitig war sie was reine Muskelkraft betraf, die stärkste von ihnen allen und auch die verwegene. Nicht angeberisch, aber brutal.
Oh, jeder wusste wie sie es liebte im Blut der Sünder zu Baden, wobei sie von sich selbst noch behauptete, Gnade im Herzen zu tragen.
Sie folterte nicht. Sie machte es schnell. Dass war bei den Sündern nicht unbedingt notwendig, wurde in ihrer Gruppe aber durchaus akzeptiert.
Der Dumme Name „Mannweib“ wurde für Beth eher als Kompliment aufgefasst.
Jetzt saßen die fünf Frauen beisammen auf einer halb eingestürzten Mauer.
Der Himmel über ihnen glänzte trübe, fast schlammig. Ein Spiegelbild des ganzen Sünder Bluts, dass auf den Straßen vergossen war.
Diese Auslöschung war mit Sicherheit die Erfolgreichste seit Anbeginn dieser Himmlischen Schlachten. Auch wenn es noch keine genaue Auswertung gab, so sprachen die Zahlen die jeder von ihnen in den Raum schmiss Bände.
Mona bleckte unter ihrer Maske die Zähne.
„Ich habe hundertvier Dämonen vernichtet.“
Sandra übertrumpfte die Zahl um zwei. Trisha behauptete bei ihr wären es hundertzehn gewesen, wenngleich sie fünf Höllenhunde, die sie versehentlich unter Trümmern begraben hat dazuzählte.
„Sind ja nur niedere Höllengeborene. Die Hölle kümmert sich nicht um diese.“ Sagte Trisha dazu mit einem Schulterzucken.
Sandra zuckte ebenfalls mit den Schultern.
„Das sind dann aber trotzdem nur hundertfünf Sünder!“
Alle lachten. Die Stimmung war ausgelassen. Nur Beths Augen wanderten weiter aufmerksam durch das zerstörte Schlachtfeld, das sich Hölle nannte.
Das hier war einmal ein Industriegebiet gewesen. Leere Fabriken und große nun zertrümmerte Hallen.
Einen einzigen Straßenabschnitt von wegrennenden Feiglingen hatten sie hier noch töten können, ehe alles in naher Umgebung in völliger stille versank.
Beth war innerlich wütend auf sich. Das waren die letzten Minuten der Auslöschung und sie hatte ihre Gruppe in einem Teil der Stadt geführt, der keinen Spaß mehr machte.
Die nächste Auslöschung wäre erst in einem Jahr und sie und ihre Schwestern letzten nach Blut.
Nun ja, vielleicht letzte sie am meisten danach.
Es war nicht falsch mit Leidenschaft den Himmel verteidigen zu wollen. Sünder sollte es ohnehin nicht auf dieser Welt geben.
Wenn ihr Eva persönlich in der Hölle entgegenkam, so würde sie diese Erste Sünderin ebenfalls vernichten.
„Beth?“
Die Frage kam von Linda, deren Zahl an getöteten sie verpasst hat.
„Hundertsiebenundneunzig.“ Grölte sie.
Anerkennenden Pfeifen war zu hören.
Sandra jedoch starrte vor sich hin. Sie hätte zu gerne eine glatte Zahl gehabt. Doch…
Die Glocke läutete. Die Auslöschung war offiziell beendet worden.
Sie biss die Zähne zusammen. Wenn es nach ihr und wohl auch nach ihrem Anführer ging, müssten die Dämonen immer Angst vor ihren gerechten Klingen haben.
Nun ja…
Sie hob die Hände als Mona und Linda schon ihre Flügel öffneten um wegzufliegen.
„Geben wir uns noch eine halbe Stunde Zeit. Warten wir ab, bis die Ratten aus ihren Löchern kommen.“
Vor drei Jahren, seit Vaggies Verrat und wahrscheinlichen Verrottens in der Hölle, hatte Adam die Zeiten immer weiter gedehnt.
Mal fielen sie etwas früher als beim Ersten Glockenschlag ein. Letzte Mal führte er sein Schwert auch noch zehn Minuten nachdem das Ende eingeläutet wurden.
Die Uhrzeit war eher ein Richtwert und noch waren sie hier.
Keine ihrer Schwestern widersprach. Dennoch stiegen sie, wie die Raubvögel die sie waren in die Lüfte. Sausten entspannt mit noch immer anhaltendem Adrenalin von Blutdurst getrieben, durch den trüben Himmel der Hölle. Immer wieder zwischen einzelnen, mehr oder weniger zerstörten Fabrikgebäuden vorbei.
Immer etwas näher zum Uhrenturm, wo sie sich geschlossen zurückziehen sollten und gleichzeitig langsam genug, um unachtsame Sünder eine Lektion zu verpassen, aus der sie niemals mehr lernen könnten.
Beth grinste als sie in der Ferne eine winzige Gruppe ausmachte.
Sie sah Hörner und konnte Krallen an den Fingern erkennen. Eher menschlich aussehende Sünder, die sich überraschend selbstsicher durch das Schlachtfeld bewegten.
Mit einer hochmütigen Bewegung, ihres Speeres deutete sie unter sich.
Drei Sünder. Sie würde die zweihundert heute doch noch vollkriegen!
„Schwester, die drei gehören mir.“ Befahl sie.
Niemand widersprach.
Unter sich bemerkte die wohl Älteste und optisch auch größte Sünderin sie am Himmel. Hörte die Geräusche der mächtigen Engelsflügel, die nach Gerechtigkeit schrien.
Ein Blickkontakt.
Die roten, schlitzartigen Augen der Frau starrten zu ihr hoch. Weiteten sich kurz.
Energisch rief sie etwas. Scheuchte die Jüngsten, die erstarrt zum Himmel starrten panisch weiter.
Wie Rentiere die einem Wolf entkommen wollten. So elegant und schnell huschten sie auf zerstörtem, offenem Feld davon.
Verzweifelt nach Schutz und Deckung suchend.
Beth leckte sich mit der Zunge über ihre Lippen.
„Lust auf eine Treibjagt?“
Ihre Schwestern jubelten allesamt.
Die letzte Jagt für dieses Jahr begann.

Diese Auslöschung verbrachte Carmilla mit ihren Töchtern im Bunker unter ihren eigenen Anwesen.
Dieser war bei weitem nicht so groß und auch nicht so Luxuriös eingerichtet, doch niemand von ihnen zweifelte daran, dass dieser Ort sicher war.
Carmilla hatte, wie jedes Jahr, darauf geachtet, dass die Kameras das treiben der Exorzisten rund um den Uhrenturm aufnahmen. Dort wo das Gemetzel am größten war. Sie würde es in den Tagen nach der Auslöschung, wie seit Jahrzehnten, in Ruhe auswerten.
Bis jetzt jedoch unterschied sich der Kampfstill der Engel nie von den Schlachten davor.
Schnell, Rücksichtslos und ohne das geringsten zögern.
Keine Finesse. Keine Tricks. Nur absolute selbstgerechte Hingabe.
Dennoch, Routinen gaben Carmilla ein Gefühl von Kontrolle. Sie würde nicht damit aufhören sich das Himmlische Gemetzel anzusehen.
Jetzt war die letzte Stunde der Auslöschung angebrochen und Carmilla fand sich mit ihren Mädchen im „Lobbybereich“ des beengten Bunkers ein.
Mit Zestial diese Stunden zu verbringen war angenehmer. Sie Arbeiteten dann miteinander. Gingen Papierkram durch, tranken Tee und irgendwann lockte einer den anderen ins Schlafzimmer.
Dieses Jahr war es nicht so, wenngleich Carmilla, auch wenn sie missmutig war, etwas Positives in all dem sah.
Zestials Anwesen stand etwas abseits von den üblich herrschenden großen Schlachten. Ihr eigenes, das mitten im Industrie-Viertel lag, war besser mit allen Straßen verbunden.
Dieses Jahr wären sie schneller im Zentrum und konnten die Engelswaffen einsammeln. Schneller als in den letzten Jahren.
Die Konkurrenz war groß. Sie durften nicht nachlassen und Engelstahl war noch immer eine Begrenze Ressource. Obwohl Odette sich inzwischen daran versuchte, Engelstahl in der Hölle nicht nur einschmelzen zu lassen, sondern ihm direkt hier herzustellen.
Odette und ihre Projekte. Es war fast beängstigend, wie gut sie darin war, das unmögliche weiter auszudehnen.
Clara pfeife irgendeinen neuen Song vor sich hin und holte dann etwas, mit einem schelmischen Grinsen aus ihrer Tasche.
„Ach so, Mama. Zestial hat etwas geschickt. Hab es geöffnet und vergessen es dir zu geben.“
Odette holte zischend Luft. Carmilla war schon aufgesprungen, als ob Clara ihr Tagebuch hochhielt und die Rollen von Mutter und Tochter vertauscht waren.
Zestial hatte eine Altmodische Rolle geschickt, das bereits von neugierigen Fingern geöffnet wurde.
Clara fuhr ungerührt weiter.
„Zestial freut sich darauf dich wiederzusehen und freut sich auf einem bezaubernden Abend und fragt, ob du das Bild zu obszön findest, oder er die Skizze auf Leinwand verewigen darf.“
Ihr Herz pochte als sie der Brief sah und dann die Zeichnung auf den schmalen Tisch in der Mitte fielen.
Zestial Zeichnung war nicht Obszön. Zumindest nicht nach modernen Maßstäben.
Carmillas Wangen jedoch begannen tatsächlich zu glühen, als sowohl Odette als auch Clara einen sehr genauen Blick auf diese Zeichnung erhaschten.
Carmilla sah sich selbst darauf. Das Haar offen und wild über den Rücken wallend. Das Kinn erhoben und der Blick kühl und intensiv zur selben Zeit.
Ein minimales Lächeln am rechten Mundwinkel.
Die Skizze zeigte keine nackte Haut, da ihr Haar offen über Schultern und Brust fiel. Es war allerdings offensichtlich, dass sie unter der Haarpracht nichts anhatte.
Carmilla konnte genau erkennen, dass Zestial sich sehr auf ihre Augen, das Lächeln und ihre Haare Fokussiert hat.
Die weiblichen Formen darunter waren eher Beiwerk.
Der Overlord hatte das gemalt, was sie ihm immer bereit war zu zeigen. Zusammen mit offenem Haar, dass sie in seiner Gegenwart nur öffnete, wenn sie beide alleine waren.
Er mochte die Illusion, dass er der Einzige sein durfte, der sie mit offenem Haar sah. Und eigentlich stimmte, dass außerhalb ihrer Familie sogar.
Egal wie geschmackvoll das Bild für die Hölle auch war, sie wollte am liebsten das Gesicht in die Hände vergraben, wenn sie nicht gerade so wütend wäre!
Clara grinste weiter. Hielt ihren Blick stand, wie es wohl nur wenige schaffen konnten.
Oh, ihre jüngste schaffte es Zestial zu ärgern. Natürlich würde sie keine Angst vor ihrer Mutter haben.
Odette dagegen wirkte zumindest unsicher verlegen.
„Clara!“ Ein leiser Tadel.
Ihre Jüngste fuhr jetzt wütend zu ihrer Schwester herum.
„Was denn? Wir beiden waren uns doch einig, dass diese Geheimnistuerei von Mama und Zestial langsam wirklich lächerlich wird. Es muss gesagt werden, dass wir es wissen.“
Clara sah sie wieder an, jetzt ernster.
„Und das auch schon lange bevor ich deine Post aufgemacht habe.“
Carmilla war noch immer wütend, wenngleich dieses Gefühl etwas von Scham und einem schlechten Gewissen überdeckt wurde.
Was sollte sie jetzt noch tun?
So anmutig und gespielt gelassen, wie es ihr möglich war, rollte sie die Skizze wieder zurück und verstaute diese mit dem Brief. Dann faltete sie ihre Hände und setzte sich mit geraden Rücken auf dem Sofa.
„In Ordnung, Mädchen. Zestial und ich haben… ein Intimes Verhältnis.“
Ihre Töchter verdrehten tatsächlich die Augen! Unfassbar.
Resigniert seufzte sie. Das Gespräch drohte unangenehmer zu werden, als bei dem Date, bei dem Clara sie zur Rede gestellt hat.
„Seit wann wisst ihr zwei davon?“
Clara öffnete den Mund. Odette war dieses Mal schneller.
„Länger als dass es noch lustig ist, Mutter.“
War ja klar. In einem Haushalt nur aus Frauen, blieb nichts auf Dauer geheim.
Odette löcherte sie mit ihrem Blick.
„Wie ernst ist das zwischen dir und Zestial?“
Clara klatschte in die Hände.
„Darf ich ihn jetzt irgendwann Papa nennen?“
Odette gab Clara einen Tritt, während Carmilla einfach nur wie ein Reh im Scheinwerferlicht zu ihren Töchtern starrte.
„Nein, Clara, dass ist unpassend.“
Jetzt tadelte sie ihr Kind wieder so wie sie es im Jahr 1899 getan hat! Dieses Gespräch ließ sie wirklich in die Zeit zurückversetzten.
Clara verschränkte schmollend die Hände vor der Brust.
„Und… es ist nach wie vor eine Freundschaft und Geschäftsverhältnis.“
Odette schüttelte nur den Kopf. Clara runzelte die Stirn.
„Freundschaft Plus, Situationship, Affäre oder Beziehung?“
Musste sie den Unterschied von all dem Wissen?
„Darüber rede ich nicht!“
Inzwischen grub auch schon Odette ihr Gesicht in die Hände. Carmilla wusste nicht, ob ihre Älteste ein lachen oder weinen verbergen wollte.
„Schläfst du mit anderen?“
„Nein!“ Das klang empörte als sie sich fühlen sollte.
Claras Wangen röteten sich.
„Und Zestial…“
Jetzt schlug Carmilla die Hand auf den Tisch.
„Schluss damit! Ich schlafe nicht durch die Gegend und Zestial auch nicht. Das haben wir miteinander so abgemacht.“
Clara wandte sich jetzt triumphierend an Odette.
„Also eher keine Freundschaft Plus oder eine Affäre. Für eine Situationship geht das doch schon zu lange. Nach meiner Definition, ist das eine Beziehung. So machen das die älteren Leute doch auch eher. Monogamie ist gleich Beziehung.“
Jetzt lachte Odette tatsächlich erstickt auf, während Carmilla den Impuls unterdrücken musste, ein Kissen nach ihrer Jüngsten zu werfen.
„Ich habe keine Beziehung mit ihm! Es ist… kompliziert. Und es bleibt harmonisch, wenn wir unser Verhältnis nicht definieren.“
Odette lachte noch immer und hob die Hand.
„Mama, wenn ich so von einem Typen reden würde der mir gefällt, würdest du mir eine Rede über meinem Wert und ehrlichen Gesprächen halten.“
Das hatte gesessen. Carmilla gab dennoch nicht nach.
„Ihr, meine Süßen, könnt auch leichter ausgenutzt werden als ich. Zestial und ich sind beide stark und furchteinflößend. Unser… Verhältnis beruht auf Respekt und Diskretion. Wir wissen was wir miteinander haben und ich will, dass es so bleibt. Und ihr, meine Lieblinge, mischt euch nicht ein.“
Sie sah sowohl Clara als auch Odette durchdringend an.
„Keine Geschäftliche Beziehung zu Zestial wird dadurch verändert und Clara, du wirst Zestial nicht als Vater ansprechen. Nichts verändert sich. Es bleibt alles so wie es ist.“
Clara schmollte. Zu ihren Erstaunen war es ihre vernünftige Tochter, die seufzend von ihrem Platz aufstand und sie umarmte.
„Mama, nichts befindet sich im Stillstand. Keine Familie und keine Beziehung.“
Das war keine…
Carmilla schloss ihre Augen. Das war super eingefädelt von Clara, das Gespräch zu beginnen, wo sie alle hier unten festsaßen.
„Lasst mein Verhältnis zu Zestial meine Sache sein.“
„Wir haben ihm halt auch gerne.“ Flüsterte Clara leise.
„Wir haben wirklich nichts dagegen, Mama.“ Gab Odette ihr recht.
Carmilla blieb der Mund offenstehen.
Zestial hatte sich die Loyalität ihrer Kinder verdient.
Natürlich hatte er das!
Nur… sie durfte nicht vergessen, das Zestial der älteste und gefährlichste Overlord war und Jahrhundertelang alleine sein Leben lebte.
Seit sie Erwachsen war, sich so fühlte, war sie auch Mutter geworden. Es gab nie ein richtiges Leben ohne ihre Kinder.
Er könnte sie abweisen… Könnte…
Was waren schon nicht einmal zweieinhalb Jahrzehnte gegen seine Lebensspanne? Gegen die Unsterblichkeit nach der er strebte?
Ihre Töchter tauschten Blicken und bemerkten wohl, dass sie inzwischen mit ihren eigenen kreisenden Gedanken überfordert war.
Manchmal ähnelten sie dann doch wirklichen Engel, denn sie ließen weiteres nachbohren sein.
„Weißt du von… den Mördern? Von Sergio, Andrés und Jamie?“
Carmillas Augen wurde milder.
„Ja, Zestial hat sich sehr intensiv um die drei gekümmert. Sie sind schon lange verstorben, Kinder.“
Clara atmet auf und auch Odettes kurzweiliges zittern verebbte.
„Und weiß Zestial von dem Engel, den wir geglaubt haben zu sehen?“
Geglaubt haben…
Inzwischen zweifelten ihre Kinder die es gesehen haben selbst an diese Sichtung.
Carmilla straffte sich.
„Es gab nichts zu berichten. Die goldene Substanz war schwer zu untersuchen. Es gab keine Gerüchte über einen zurückgelassenen Exorzisten, der Sünder außerhalb der Auslöschung tötet. Keine seltsamen Sichtungen. Nichts.“
Claras zaghafte Stimme meldete sich zu Wort.
„Ich weiß was wir gesehen haben, Mama.“
Carmilla seufzte und wurde nach Minuten des Verhörs milder.
„Ich glaube euch. Ich habe diese Goldene Substanz, den Sperr und die Kleidung mit eigenen Augen gesehen.“ Und der Speer war nach einer erneuten Sichtung verschwunden.
„Nur den Exorzisten nicht.“
Odette zögerte.
„Ich habe eigentlich nicht so viel Fantasie, um mir das eingebildet zu haben. Was ist, wenn der Exorzist nie von den anderen abgeholt wurde und sich nicht in die Botschaft schleppen konnte? Wenn einer dieser Monster noch in der Hölle ist. Sollten wir es dann nicht gezielt suchen?“
Carmilla blickte in die Ferne und wählte ihre nächsten Worte wohlüberlegt.
Hätte sie den Exorzisten vor drei Jahren verletzt auf der Straße gefunden, so hätte sie keine Gnade gezeigt. Vielleicht wäre er sogar in Zestial Keller gelandet.
Sie waren alle in Trauer gewesen.
Jacky, Pär, Ben. Alle fort.
Jetzt jedoch mit Vernunft und… erbarmen sah sie es etwas anders.
„Wenn ein Exorzist von seiner Truppe zum Sterben in der Hölle zurückgelassen wurde, diese glauben, ihre Schwester hätte dieser Ort verdient, dann sollten wir ihr dasselbe Fegefeuer geben in dem wir wandeln.“
Sie Lächelte und entblößte dabei ihre Reiszähne.
„Solange sich ein Exorzist an die Regeln der Hölle hält, hat sie die Strafe der Hölle verdient. Oder auch das Leben wie wir es alle hier unten führen und schätzen.“

Carmilla sah auf ihre Uhr und entschied dann, einstimmig mit ihren Töchtern, dass es Zeit wurde sich hinauszuwagen.
Sie alle trugen identische Ballett-Kleidung, noch vom Training hier unten. Nach dem Streit und das Kreuzverhör, was nun ihr Beziehungsstatus mit Zestial war, lief ihnen die Zeit davon sich umzuziehen.
Eigentlich war diese Kleidung auch praktischer beim Einsammeln der Engelswaffen. Jeder konnte so sehen, dass sie zusammengehörten.
Der Overlord Carmilla Carmine mit ihren Töchtern.
Niemand würde ihnen so in die Quere kommen.
Eigentlich begann diese Stunde wie jede nach der Auslöschung. Nur halt das sie es schafften, sich früher aus dem Bunker zu graben und schneller auf den Straßen zu sein.
Zestials Bunker war anders gebaut worden. Robust aber auch altmodisch. Mit vielen Türen und Mauern. Es hatte nicht selten mehrere Stunden gedauert, bis sie Tageslicht sahen.
Das jetzt ging deutlich zügiger.
Es war fast eine Überlegung wert, auch die nächste Auslöschung in ihren eigenen Bunker zu verbringen, wenn Zestials Gesellschaft das alles nicht ausgleichen würde.
Nach hundertfünfundzwanzig überlebten Auslöschungen, beherrschte sie und auch ihren Mädchen, eine fast schon beschämende Routine als sie durch die Straßen gingen. Einen kleinen Wagen hinter sich herzogen und die gut durchdachten Lagerplätze inspizieren wollten, wo sie die zurückgelassenen Engelswaffen zwischenlagern konnte.
Alles war normal.
Alles war gut…
Bis es das nichtmehr so war.
Clara hob gerade einen kleinen Dolch aus den Trümmern. Eine eher untypische Engelswaffe und drehte sich halb um.
Sie wollten langsam mit suchenden Augen Richtung Uhrenturm gehen und waren noch ganz am Anfang.
Ihr leicht beschädigtes Anwesen, war noch vage zwischen den Trümmern der wirklichen Wohngebäude zu erkennen.
Carmilla dachte noch, dass sie Glück gehabt hatten. Dass es eine clevere Sache war, ihr Anwesen von außen wie ein Fabrikgebäude aussehen zu lassen und so die willkürliche Zerstörung der Engel entgegenzukommen.
Engel, die immer häufiger belebte Wohnungen ins Visier nahmen.
Sie überlegte, wie lange es dauern würde, diese Schäden zu beseitigen und was es sie kosten würde, als sie dieses Geräusch hörte.
Ihr Kopf fuhr automatisch herum. Richtete sich, als wäre eine Urangst in sie erwacht, Richtung Himmel.
Über sich. Verdammt nahe, hatte sie das schlagen von etwas in der Luft vernommen.
Federn im Wind. Ein Rascheln und Schlagen zur selben Zeit.
Carmilla war wie erstarrte.
Jäger und Beute.
Ihre roten Augen trafen die leeren dunklen, von einem der Exorzisten-Masken.
Sie waren die Beute.
Clara ließ den Dolch fallen und stieß ein Wimmern aus.
Odette keuchte.
Ihre zwei Mädchen waren erstarrt.
Sie konnte es sich nicht leisten ebenfalls der Angst zu verfallen!
Das Rascheln und Summen von Flügeln, die sich in den Lüften bewegten, nahm zu.
Weitere Exorzisten, fünf insgesamt kreisten wie Aasgeier über sie.
Doch noch waren sie nicht tot!
Noch konnten zu rennen.
„Mädchen, lauft sofort zum Bunker!“ Zischte sie.
„Kein hinter euch blicken. Nicht langsamer werden. Ihr gehorcht! Verstanden?“
Carmillas Worte vibrierten Kraftvoll durch die Luft.
Ihre Kinder spürten das erste Mal am eigenen Leib, die Macht eines Overlords, der die Seelen von Tausenden Sündern unter ihrer Kontrolle hat.
Macht und Reichtum der ihr jetzt nicht half.
„Los!“ Zischte sie.
Clara und Odette rannten. Rannten wie die Grazilen Ballerina, deren Training sie nie erlaubt hat zu vernachlässigen.
Rannten durch die zerstörten Straßen und Leichen, vorbei an Engelswaffen, die nicht ihr Leben wert waren.
Carmilla übernahm fünf Meter hinter ihnen die Nachhut.
Die Exorzisten setzten sich in Bewegung. Es war ihnen gleichgültig, dass der letzte Glockenschlag, die Auslöschung vor wenigen Minuten beendet hatte.

Beth grinste durchgehend, als sie die Bewegungen der flüchtenden Sünder ganz genau analysierte, während sie in den Sturzflug gingen.
Die Älteste wollte scheinbar die Jüngeren zuerst in Sicherheit bringen und das Schlusslicht sein.
Bei ihren Ersten Auslöschungen hätte sie diese Selbstlosigkeit noch überrascht. Nach all der Zeit jedoch wusste sie, dass auch Sünder durchaus Freundschaften pflegten und lieben konnten.
Das zu leugnen war einem Engel unwürdig.
Es blieben dennoch Sünder, die diese Hölle verdient hatten und mit all dem die Gerechtigkeit des Himmels.
Zu Sandra, die ihr am nächsten war rief sie:
„Schneidet den Jüngeren den Weg ab. Mal schauen wie weit diese Selbstlosigkeit geht und ob wir diese Ältere Sünderin dafür belohnen können.“
Ihre Schwestern gehorchten.
Sie schwärmten nahe am Boden zwischen den Trümmern und schnitten dann, den zwei Jüngsten, Sünder die wie Teenager aussahen und gleichzeitig völlig verdorben waren, den Weg ab.
Beth selbst ging im Sturzflug. Mit einem reinen gefährlichen Lachen landete sie direkt, kaum zwei Schritte entfernt, von den verschreckten Sünder-Mädchen.
Ihre Schwestern waren nur Sekunden später neben ihr und kesselten diese von allen Seiten ein.
Die Älteste stürzte sich sofort vor.
Mit den bloßen Armen ausgebreitet, versuchte sie die Jüngeren Abzuschirmen. Sich selbst als Schutzschild zu benutzen.
Beths Finger klackerten an den Griff ihres Speeres.
Sie sah direkt in die roten Augen.
Oh, diese Sünderin war es nicht gewohnt die Beute zu sein. War in der Hölle womöglich sogar eine große Persönlichkeit.
Der Kopf dieser großen Gestalt, mit ihren hässlichen Pranken und das unschöne, entstellende Mahl im Gesicht, ruckte zu den Jüngsten.
Ein halber Herzschlag des Zögerns, ehe diese die Flucht ergriffen und der Älteste kurzzeitig alleine das Schlachtfeld überließen.
Eindeutig eine Mutter!
Beth war keine. Wollte keine sein und dennoch konnte sie das respektieren.
Barmherzigkeit bedeutete, dass diese Mutterfigur nicht den Tod ihrer Kinder mitansehen brauchte. Dass sie zuerst sterben würde.
Sie erhob sich in die Lüfte. Der Rausch des vergangenen Blutvergießens war noch nicht versiegt.
Beth wollte mehr! Und es sollte schnell gehen. Nicht das die jüngeren Sünder sich doch noch verstecken konnten, oder Adam sie alle ungeduldig zurückrief.
In einem harschen Sturzflug, den Speer voran, raste sie auf diese Sünderin zu. Sich sicher, nun Nummer hundertachtundneunzig auf ihrer Liste getötet zu haben.
Die Sünderin jedoch wich aus.
Mit einem doppelten Salto sprang sie in die Lüfte.
Hoch! Fast als wollte sie mit ihr um das Fliegen konkurrieren.
Diese verlorene Seele war kurz über ihr.
Wollte sie wegrennen? Entkommen?
Das Spiel könnte noch lustiger werden… aber sie war wirklich schnell. Beth sollte…
Das trübe Licht der Hölle brach einen Lichtfunken über ihr. Die Schuhe der Sünderin glänzten unheilvoll vertraut auf.
Das war keine Flucht. Es war ein verzweifelter Angriff.
Beth starrte nur Fassungslos hoch. Was sollte schon passieren?
Ihr Engelssperr weiter vor sich als Waffe. Ihre Schwestern in Erwartung eines schnellen Kampfes um sie herum.
Der Glitzernde große Schuhe direkt in ihr Blickfeld.
Ein Knacken.
Ein Kurzer Schmerzen.
Dann nichts als Stille… und Dunkelheit.

Das war der Moment.
Der Moment auf dem sich Carmilla unbewusst immer vorbereitet hatte.
Die Aufnahmen der Mordenden Engel.
Die Schuhe an ihren Füßen.
Das Kampftraining mit Zestial.
Die Anmutigen Ballett-Übungen mit ihren Töchtern.
All das für diesen Moment, wo es drauf ankam. Sie nicht versagen durfte.
Carmilla wusste nicht wirklich ob es einen Unterschied machte.
Sie wusste nur eines. Ihre Kinder würden es selbst mit ihren selbst Opfer nicht schaffen fünf Exorzisten zu entkommen.
Sie musste entweder auf Glück hoffen, dass sich die Engel zurückziehen würden, oder auf ihre eigene Stärke.
Carmilla hatte nie auf Glück gesetzt.
Sie sah in die Maske des einen Exorzisten, der ganz alleine mit ihr spielen wollte.
Wie arrogant. Wie selbstverliebt.
Ihre Augen verengten sich als dieser in die Luft stieg.
Dieselben Bewegungen wie von fünfzig Jahren an Aufnahmen von Gemetzel.
Sie kannte diese zu gut. Wie im Schlaf. Kurz verengten sich Carmillas Augen.
Konzentriert und gleichzeitig trügerisch einfach.
Der Exorzist stürzte sich auf sie.
Es gab keine Entscheidung die sie zu treffen hatte. Sie reagierte einfach nur.
Mit der Anmut von Jahrzehntelangen Training, sprang sie in die Luft.
Hoch, sehr hoch.
Jeden einzelnen verdammten Tag, wo sie diese schrecklichen unbequemen Schuhe getragen hatte, Zestials Bemerkungen beim Training, die Blicke anderer Frauen die ihren schönen Geschmack lobten und dabei übersahen, wie gefährlich der Overlord vor ihnen war. All das war es wert.
Das Gewicht der Schuhe fesselte sie nicht am Boden. Ihre Beinmuskeln waren stark genug.
Carmilla sprang. Sprang als wollte sie fliegen.
Sie flog und Jagte.
Der Exorzist war unter ihr und starrte selbst durch die Maske verwundert zu ihr auf. Unfähig zu begreifen was Carmilla vor hatte.
Unwillig auch nur zuzugeben in Gefahr sein zu können.
Carmilla währenddessen Betete. Sie Betete das Erste Mal seit ihrem ersten Jahr in der Hölle.
Ein Stummes Gebet einen Engel töten zu können.
Vor ihren inneren Augen sah sie goldenes Blut. Die Indizien die sie gehofft hat niemals bestätigen zu müssen.
Der Fuß mit der scharfen Klinge des Schuhes, traf den freien Hals des Engels.
Es Knackte laut. Die Knochen gaben nach. Der Kopf fiel viel zu Leicht ab. Eine Fontäne aus goldenem Blut besprühte als Unheiligen Regen ihre Kleidung, ihre Hände und ihr Gesicht.
Drei Sekunden und alles war vorbei.
Carmilla hatte wieder festen Boden unter ihren Füßen und der Engel lag tot und geköpfte vor ihr.
Ihre Gedanken waren leer. Unfähig zu begreifen was gerade geschehen war. Nur eines war wichtig.
Es hatte funktioniert und sie lebte noch!
Noch…
Wie ein Rachedämon strafte sie ihre Schultern. Mit brennenden Augen und Grimmigen Blick, ohne Lächeln und ohne Zweifel nahm sie die übrigen vier Exorzisten ins Visier.
Jene Kameraden der getöteten, die nun über ihr Flogen und deren Entsetzten greifbar war. Jedes Schweigen um sie herum ausfüllte.
Blutverschmiert stand sie nun hier. In ihrem Territorium, vor einem Wesen, das die Arroganz besaß, ihre Mädchen in ihrem Zuhause anzugreifen.
Carmilla bleckte die Zähne, setzte nur einen einzige Schritt nach vorne. Einen winzigen in Richtung der auf Abstand verharrenden Engel.
Der Zauber brach. Das Entsetzten war grenzenlos.
Einer der Exorzisten brüllte:
„Rückzug!“
Ein anderer Schrie einen Namen.
Doch sie alle flogen fort. Ergriffen die Flucht. Verteilten sich in alle Winde.
Das schreckliche Rascheln von Flügeln verklang.
Carmilla hörte nur noch ihren eigenen schweren Atem. Hörte das Rauschen ihres Blutes in den Ohren.
Roch das eher Blumenhaft duftende Blut eines Engels, das ihren Körper bedeckte.
Zehn Sekunden des Verharrens gönnte sie sich. Brauchte es sogar.
Dann straffte sie sich und ergriff die Flucht.
Ihre ganzen Gedanken nicht messerscharf wie sonst. Sie waren wie unter Wasser.
Carmilla war nicht ganz bei sich.
„Mama!“
Odette schrie fast. Clara weinte. Sie waren noch nicht in ihrem Bunker oder in ihrem sicheren Anwesen, aber kurz davor.
Knapp in Sicherheit, obwohl sie nicht mehr wusste was Sicherheit war.
„Mama, bitte sag ob du verletzt bist!“ Flehte Clara.
Carmilla erwachte endlich.
„Mir geht es gut.“
Was an sich schon ein Wunder war.
Fünf Exorzisten stand sie gegenüber. Einen hatte sie getötet und die anderen waren vor ihr geflohen.
Odettes Augen waren schreckensgroß.
„Der Engel? Hast du...?“
Carmilla schloss die Augen.
„Kein Wort darüber. Niemals! Niemand wird davon erfahren.“
Sie sah von einem ihrer Töchter zu anderen.
„Ich habe euch gesagt, dass ich euch beschütze. Immer.“
Und anders als in der Menschenwelt, hatte sie dieses Mal diesen Schwur gehalten.
Clara und Odette sahen so fertig aus wie Carmilla sich fühlte.
Jetzt beeilten sich die drei, weg von neugierigen Blicken fort zu kommen.
Ein Engel war tot. In Carmillas Territorium. Verdammt nahe an ihrem Anwesen.
Da brauchte keiner sie mit seltsamem Blut auf Haut und Kleidung zu sehen.
Die Erkenntnis sickerte erst nach einer Stunde, als Carmilla sich umgezogen und Geduscht hatte zu ihr durch, während ihre Kinder ihr bei allem halfen. Ihr nicht von der Seite wichen, als sei sie ein Geist.
Als ob immer nur Tote zurückblieben, wenn ein Exorzist seine Waffe zog.
Und eigentlich war es auch so.
Niemand sollte den Angriff eines Exorzisten überleben.
Niemand sollte in der Lage sein einen Engel zu töten.
Sie hatte es getan.
Carmilla Carmine, eine einst unwichtige Menschenfrau.
Eine Waffenhändlerin der Hölle.
Und doch war es die Mutter gewesen, die den Engel geköpft hat, als es darauf ankam.
Notwehr. Nicht für sich selbst. Für ihre Mädchen.
Wäre sie zurückgewichen, dann hätten die Engels-Sperre ihre Mädchen durchbohrt.
Der Schock ließ nach. Die Erkenntnis griff mit eisigen Fingern nach ihr.
Ein toter Engel.
Engel konnten getötet werden.
Wenn die Hölle das erfuhr…, wenn der Himmel begriff, dass die Sünder zurückschlagen konnten.
Zwei gerettete Mädchen. Ein toter Engel.
Das konnte ausreichen, damit Himmel und Hölle in Krieg versanken.
Und die Hölle würde bluten.
Im Bademantel gehüllt kuschelte sich Clara an ihre Brust. Odette umarmte sie von hinten. Drückte ihr Gesicht an ihrer Halsbeuge.
Zestial hatte ihr einst gesagt, dass ihre Mädchen nur Ballast wären.
Wenn der alte Overlord von damals sie jetzt nur sehen könnte.
Ihre Mädchen und deren Sicherheit, hatten gerade dafür gesorgt, dass sie auf alles Vorbereitet war.
Das sie bereit war jede Grenze zu verschieben, um die Leben ihrer Kinder zu retten.
Die Liebe einer Mutter hatte einen Engel getötet und die Hölle schon jetzt, im Schleier der Unwissenheit, einen Krieg nähergebracht als jemals zuvor.
Carmilla schloss die Augen. Hörte die Herzschläge von Clara und Odette.
Spürte das unerschütterliche Vertrauen ihrer Kinder.
Den Schwur einer Liebenden Mutter. Ihr Schwur kein Blut zu vergießen.
Einen hatte sie gebrochen.
Carmilla wusste genau. Sie würde es immer wieder tun.

„Ihr seid verdammt spät dran!“
Lindas Hände zitterten leicht, als sie vor Adam stand um Bericht abzustatten.
An ihrem Körper roch sie weniger das vergossene Dämonenblut, sondern ihren eigenen Angstschweiß.
Adam war nicht der Grund dafür.
Das Gesicht des Ersten Mannes wandelt sich in einer Mischung von Verwunderung zu Belustigung.
„Habt ihr Weiber Angst, dass ich euch mit meiner Gitarre den Hintern versohle? Ja, ja von mir aus könnte die Auslöschung auch noch länger gehen. Ich will Lucifer noch keinen Grund geben sich doch noch einzumischen. Sonst muss ich ihm die völlig nutzlosen Federn langziehen.“
Er zwinkerte ihr tatsächlich zu.
Etwas das ihr einen warnenden Blick von Lute neben ihm einbrachte.
„Sag mal Federwischer, wo ist unser Mannsweib?“
Er meinte Beth.
Linda zitterte noch stärker und wurde kurz in einem Strudel hineingezogen, auf der sie die Militärische Ausbildung im Himmel nicht vorbereitet hat.
Beth wie sie ihren Speer schwang in Erwartung Gerechtigkeit auszuüben.
Beths Kopf der ihr einfach von den Schultern geschlagen wurde.
Das Gold spritzende Blut überall und mitten drin diese Sünderin, die darin badete.
Diese schreckliche Kreatur mit diesen Schlitzartigen Augen, dem entstellten Gesicht und Bärenpranken. Ein Monster als Ballerina getarnt.
Sie hatte all das verkörperte, vor dem Adam sie in der Hölle gewarnt hatte und niemand aus ihrer Gruppe hatte es bemerkt.
Diese Sünderin hatte so entschlossen mit Blutverschmierten Gesicht zu ihnen hochgeblickt, als wollte sie den gesamten Himmel herausfordern und das scheinbar unbewaffnet!
Weder Linda noch einer der anderen aus ihrer Gruppe wussten, wie sie Beth hat Köpfen können.
Dass dies nicht möglich sein sollte, machte die Sache noch schlimmer.
Am schlimmsten jedoch waren Sandras Schreie gewesen. Ihr weinen und wie sie immer wieder Beths Namen gemurmelt hat und jetzt statt Rache nur jeden anflehte, den Körper ihrer Kameradin vom Höllenboden zu bergen.
Linda riss sich zusammen. Adams Lächeln gefror endlich.
Selbst er sah jetzt die Alpträume in ihren Augen. Die Maske lag in ihren Händen.
Verdammt noch mal, ihre Unterlippe zitterte.
„Was verfickt noch mal ist passiert!?“
Linda strafte ihre Schultern. Sie war zwar die Stillste, aber nach Beth auch die emotional stärkste von ihnen fünf. Es lag an ihr Bericht abzustatten.
„Beth… Mannsweib wurde von einem Sünder getötet. Ihr Körper liegt enthauptetet im Fabrik-Viertel.“
Adams Mund öffnete sich zu einem weiten, leeren Loch.
Lute kam sofort energisch auf sie zu gestampft.
„Engel können nicht getötet werden! Hör auf mit diesem Scherz und gib Bericht ab.“
Linda verlor ein Teil ihrer letzten Beherrschung.
„Das ist kein Scherz! Eine Sünderin hat ohne Waffen einen von uns getötet. Beth ist tot und sie liegt jetzt in der Hölle. Die Sünderin war über und über mit Beths Blut bedeckt und hätte uns auch angegriffen, wenn wir uns nicht zurückgezogen hätten.“
Adams Augen weiteten sich.
„Ihr seid weggerannt wie Pussys?“
Linda schwieg verbissen.
„Ich glaube das nicht.“ Beharrte Lute.
Auch Adam schien ungewillt sie ernst zu nehmen. Langsam wurde Linda wütend.
Es fühlte sich viel besser an als Hilflosigkeit und Trauer.
„Dann fragt die anderen drei die bei uns waren. Zählt die Engel durch und schaut nach Beths Leiche. Ich habe Bericht abgegeben. Meine Schwestern brauchen mich.“
Sie kehrte ihren beiden Anführern den Rücken zu.
Noch nie in ihrer Existenz, war sie so unhöflich zu einem anderen Engel gewesen. Linda bekam ein schlechtes Gewissen.
Das Atmen wurde ihr schwer und ihr Herz tat weh.
Das war der Einfluss den die Hölle auf sie alle hatte und obwohl sie heute fast die dreistellige Anzahl an Dämonen vernichtet hat, ihr neuer Rekord, fühlte sich all das irgendwie bedeutungslos an.
Tausende Dämonen hatten heute ihr Ende gefunden.
Einen guten Engel, eine Schwester, hatten sie dadurch verloren.
Das war kein guter Tausch.
Die Engel waren überlegen. Besser. Etwas wert.
Kein Dämon sollte einem Engel übertrumpfen.
Und wenn Adam und Lute ihr endlich glaubten, dann würde die Hölle brennen.
Ja, das würde sie!
Das war ihr einziger Trost in dieser dunklen Stunde.

Notes:

Nachwort:
So… diese kurze Geschichte ist jetzt doch länger geworden als gedacht.
Statt geplante 30000 Wörter sind es jetzt über 100000 geworden.
Der Ursprüngliche Plan bestand darin, die Geschichte bis Kapitel 11 zu schreiben und dann diesen Epilog ran zuhängen.
Dieser wäre etwas anders gewesen. Zumindest die Gedanken zu Zestial. Hierbei hätte Carmilla dann endlich eingesehen, sich verliebt zu haben.
Rückblickend würde ich aber sagen, dass die Kapitel zwischen den Einzelnen Jahrzehnten, dass eigentliche Herzstücke dieser Geschichte sind.
Auch bin ich im Kapitel „Im Jahr 2000“ kurzfristig umgeschwungen und habe eine Körperliche Beziehung zwischen Zestial und Carmilla begonnen. Die wollte ich eigentlich, wo ich tiefer abgetaucht bin, im Vorletzten Kapitel erst machen.
Mir kam dann aber das umeinander herum tanzen etwas zu gezwungen vor und ich bin froh, es vorgezogen zu haben.
Diese gemeinsamen Stunden danach, diese tiefere Ebbende zu erforschen, hat mir beim Schreiben wirklich spaß gemacht.
Das Ende von „Endstation Limbus“ ist kurz bevor die Erste Folge von „Hazbin Hotel“ anfängt.
Ich habe versucht, so viel wie möglich an Wissen, was wir von der Serie haben, zu berücksichtigen.
Jedoch muss späteren Lesern, die sich hoffentlich noch auf diese Geschichte verirren, klar sein, dass all das hier nur mit dem Blick auf Staffel 1. Geschrieben worden ist.
Carmillas Vergangenheit und die von Zestial kann und wird wahrscheinlich eine völlig andere sein.
Die Persönlichkeiten von Odette und Clara völlig verschieden. (Übrigens habe ich Clara vielleicht etwas zu kindlich geschrieben, mir hat aber der Kontrast gefallen, was zwei Jahre Altersunterschied unter Geschwistern so ausmachen können.)
Wenn es so weit kommt, ihr aber euren spaß an meiner Version hattet, tut einfach so, als wenn das hier eine Parallelwelt ist;)
So mache ich es meist bei Geschichten, die mir gefallen und später nicht mehr wirklich zur Handlung zusammenpassen:)
Ich bedanke mich auch für über 1800 Aufrufe auf Fanfiktion.de und 530 auf AO3 und alle Leser die Mitgefiebert haben.
Die mir auch verziehen haben, obwohl ich Jacky, Pär und Ben getötet habe.
Wer meine Star Wars Geschichten kennt weiß, dass ich gerne von einem Paar unterschiedliche Szenarien schreibe und sehr wahrscheinlich werden noch weitere kommen. Aber erst einmal müssen meine Star Wars Geschichten weitergeschrieben werden, sonst drehen mir dort die Leser die Ohren lang;)

Bis zur nächsten Geschichte:)

Eure Karla.