Chapter 1: Der erste Tag (Thiels POV)
Summary:
Notes:
Prompt (2021): AU - Joker (Inspiration: Circles von theskew)
Genre: Gen, AU - Canon Divergence
Handlung: Thiel ist gerade neu nach Münster gezogen, aber er ist nicht alleine.
Länge: ~ 1000 Wörter
Zeit: ~ 70 Minuten
A/N: Die Geschichte von Skew war zu verlockend, um da nicht weiterzuschreiben :D
Chapter Text
***
Er hatte extra früh Feierabend gemacht, um zuhause zu sein, wenn Lukas nachhause kam. Besser gemacht hatte das aber nichts, der Junge war mehr als einsilbig gewesen und gleich in sein Zimmer verschwunden. Thiel seufzte. Jetzt konnte er nur noch hoffen, daß Spaghetti Bolognese die Stimmung heben würden. Das Rezept hatte er mittlerweile gut im Griff und es war Lukas absolutes Lieblingsgericht.
"Essen ist fertig!"
"Was gibt's denn?" Lukas steckte die Nase aus seinem Zimmer und für einen Moment war da ein Anflug von besserer Stimmung zu spüren, als er hörte, was es gab. Das hielt aber nicht lange. Und Schuld daran war allein er selbst. Und, wie war's in der Schule? Wie hatte er solche Fragen als Kind gehaßt! Und in ihrer momentanen Situation war das besonders unglücklich, weil es Lukas erster Tag an der neuen Schule war, in einer Stadt, in die er nicht ziehen wollte, in einer Schule, in der er niemanden kannte.
Und das bekam er dann auch zu hören. Leider hatte Lukas in der Hinsicht sein Temperament geerbt, und zwölf war sowieso ein denkbar schlimmes Alter.
"Wieso sind wir nicht einfach in Hamburg geblieben!?"
"Du weiß doch, warum wir umgezogen sind. Es ist -"
"Alles nur, weil du das so willst! Was ich will, ist dir ganz egal!"
Das war so unfair, daß er selbst die Beherrschung verlor, obwohl er sich geschworen hatte, daß das nicht mehr passieren würde. "Du weißt ganz genau, daß das nicht stimmt!"
"Und warum sind wir dann hier? Ich will jedenfalls nicht hier sein!" Lukas schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Teller in die Höhe hüpften. Einen Moment lang starrten sie sich erschrocken an, dann sprang Lukas auf und rannte aus der Küche. Die Zimmertür fiel mit solcher Wucht ins Schloß, daß die Fensterscheiben klirrten.
Thiel seufzte.
So ein Benehmen war absolut inakzeptabel. Aber er hatte gewußt, daß es für Lukas schwer werden würde. Und irgendwie konnte er das auch verstehen. Die Wut. Das Gefühl, allem ausgeliefert zu sein. Die ganze Zeit mußte er irgendetwas tun, was er nicht wollte, was er nicht selbst bestimmen konnte. Wenn es nach Lukas gegangen wäre, würden sie immer noch glücklich alle drei in Hamburg leben. Und wenn er ehrlich war, war das gar nicht so weit entfernt von dem, was er sich wünschte, und er war sich sogar ziemlich sicher, daß sich Susanne das gleiche wünschte. Aber wünschen half nichts gegen die Realität, und die Realität war die, daß Susanne und er sich auseinandergelebt hatten. Sicher, sie hätten auch zusammenbleiben können, wegen Lukas. Aber glücklich wären sie nicht mehr gewesen, und Lukas am Ende auch nicht. Und dann, als sie sich gerade so halbwegs eingefunden hatten in den neuen Alltag mit Wochenenden bei ihm, hatte Susanne sich neu verliebt. Für Lukas war das von Anfang an schwer gewesen, aber sicher hätte er sich auch an diese neue Situation gewöhnt, aber dann war auch schon Neuseeland gekommen. Daß Lukas am Ende bei ihm geblieben war, war seine Entscheidung gewesen, ja. Aber der Preis war hoch gewesen.
Schwerfällig erhob er sich, griff nach Lukas Teller und kippte die Spaghetti zurück in den Topf. Die konnten sie später wärmen, wenn der Junge sich beruhigt hatte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt zu bedrängen, das wußte er aus Erfahrung. (Und auch von sich selbst.) Vielleicht hätte er das doch nicht machen sollen - sich nach Münster versetzen lassen. Oder zumindest nicht so schnell. Aber zu dem Zeitpunkt hatte er das Gefühl gehabt, daß er das brauchte. Einen Neuanfang. Daß sie das brauchten, auch wenn Lukas das momentan nicht so sah. Alles in Hamburg erinnerte sie an das Leben, das sie gehabt hatten. Und in Münster gab es immerhin Herbert. Familie. Nicht unbedingt ein geeigneter Ersatz für eine Mutter, die am anderen Ende der Welt wohnte, aber ... immerhin.
***
Lukas tauchte nach einer guten Stunde wieder auf. So, als wäre nichts gewesen. Er konnte sehen, wie gerötet seine Augen waren, aber er sagte nichts (auch wenn ihm das Herz blutete). In Momenten wie diesen wünschte er sich die Zeit zurück, als alles noch einfacher war, als er den Jungen einfach in den Arm nehmen konnte, und alles war wieder gut.
"Gibt's noch Spaghetti?"
"Ich mach' dir welche warm."
Sie aßen schweigend. Lukas gleich drei Teller, also konnte das Essen so schlecht nicht sein.
"Wir sind nur achtzehn in der Klasse."
"Das klingt gut."
"Mhm." Lukas griff nach der Schöpfkelle und kippte sich noch mehr Soße über den Teller. "Vor allem Mädchen."
Thiel nickte. Mit Kommentaren hielt er sich lieber zurück, momentan stand das ziemlich auf der Kippe, ob Lukas Mädchen noch doof oder schon interessant fand. "Wie sind die Lehrer?"
"Geht so." Lukas zuckte mit den Schultern. "Und bei dir?"
Und bei ihm? Er hatte noch gar nicht wirklich darüber nachgedacht, wie sein erster Tag eigentlich gewesen war. "Auch ganz O.K. Im großen und ganzen."
Er drehte gedankenverloren Spaghetti auf die Gabel. Eine lustige Sache war aber doch passiert. "Du glaubst es nicht, wen ich auf der Arbeit getroffen habe."
Lukas sah ihn fragend an.
"Den Vermieter."
"Hat er was verbrochen?"
Thiel mußte schmunzeln. Das interessierte seinen Sohn jetzt offenbar doch. "Nee, er arbeitet da. Rechtsmedizin."
"Na dann viel Spaß." Lukas grinste. "Du hast doch gesagt, der quatscht zu viel und geht dir schon auf die Nerven, wenn du ihn nur im Flur triffst."
"Halb so schlimm. Ich seh' ihn ja nur, wenn wir einen Mordfall haben." Zum Glück war Münster ein recht friedliches Pflaster, kein Vergleich zu Hamburg. "Und jetzt laß mal lieber noch ein bißchen Platz für den Nachtisch."
Lukas Augen leuchteten auf. "Schokopudding?"
"Nein, ich dachte, ich mach uns mal was Gesundes. Obstsalat."
"Was -"
"Natürlich Schokopudding, was denkst du denn?"
Als sie danach vor Fernseher saßen, und einen Ballerfilm sahen, den Lukas sich ausgesucht hatte, war es schon fast wieder so wie früher.
Leicht war es nicht gewesen, aber er hatte sich den ersten Tag noch schwieriger vorgestellt. Jetzt hatten sie ihn hinter sich gebracht, und sie würden auch die nächsten Tage hinter sich bringen. Und irgendwann würde Lukas in Münster genauso daheim sein wie davor in Hamburg. Ab jetzt ging es aufwärts. Da war er sich ganz sicher.
* Fin *
Chapter 2: Hellhörig (Thiels POV)
Summary:
Boerne war garantiert nicht der Typ gewesen, der schnell Freunde fand.
Notes:
Prompt (2021): Orte - zwischen Tür und Angel
Handlung: Boerne war garantiert nicht der Typ gewesen, der schnell Freunde fand.
Länge: ~ 900 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
A/N: Ihr habt ja wohl nicht geglaubt, daß ich es mir nehmen lasse, Boerne in diesem AU zu schreiben ;)
Chapter Text
***
Er war gerade wieder zurück auf dem Weg vom Briefkasten - die Post, er hatte nach der Post gesehen, nicht seinem Sohn hinterher, der alleine zur Schule radelte, wofür er schon lange alt genug war, auch wenn das jetzt hier eine neue Stadt war - und stand mit einem Stapel Papier (Pizzaservice, Asia-Imbiß, ein Brief von seiner Bank, eine Postkarte von Uwe, eine dieser nervigen Webezeitungen) in der Wohnungstür, als sich die Tür gegenüber öffnete. Sein Nachbar, Vermieter und, wie er seit kurzem wußte, Kollege. Im Bademantel. Naja, eher Morgenmantel. Fehlte nur noch das gestickte Monogramm, und bei dem Gedanken mußte er jetzt doch fast grinsen.
"Ah, der Herr Nachbar!"
"Moinsen." Daß Boerne aber auch immer so verflucht gut gelaunt sein mußte. Und laut. Vermutlich kriegte das sofort die ganze Nachbarschaft mit, war ganz schön hellhörig hier. An den ersten Abenden, seit sie hier eingezogen waren, war er mehr als einmal versucht gewesen, sich wegen der Musik zu beschweren. Nur daß das ziemlich unpraktisch war, wenn der laute Nachbar gleichzeitig der Vermieter war. Thiel seufzte. Innerlich. Zum Glück hatte Lukas einen festen Schlaf.
"Das war ja recht laut bei Ihnen gestern Abend. Ich dachte schon, der Putz fällt von der Wand, so wie Ihr Junior mit den Türen geknallt hat."
Na super. Genau auf das Thema hatte er Lust. In aller Herrgottsfrühe, mitten im Flur. "Wo wir gerade beim Thema sind - die Musik war letzte Woche auch recht laut. Und das deutlich nach zehn."
"Musik?" Boerne sah ihn verdutzt an. "Hat jemand von den Nachbarn gefeiert? Ich habe gar nichts gehört."
"Das wundert mich nicht, bei dem Krach aus Ihrer Wohnung."
"Aus meiner ..." Boerne stemmte die Fäuste in die Seiten. Das sah jetzt schon ein bißchen lächerlich aus, mit dem Bademantel und den Schlappen. "Ich bitte Sie, das war keine Musik, das war Wagner!"
"Musik würde ich das auch nicht nennen", grummelte Thiel.
"Wie bitte?"
"Nicht so wichtig." Schließlich wollte er hier wohnen bleiben. Vorerst. War schwer genug gewesen, in Münster was Bezahlbares zu finden, und zu Herbert wollte er wirklich nicht ziehen. "Er tut sich noch ein bißchen schwer mit dem Umzug."
"Wer ... ah, Ihr Sohn." Boerne nickte bedächtig. "Schwieriges Alter."
Das konnte man wohl sagen. "Haben Sie auch ...?"
"Gott bewahre", Boerne winkte hastig ab. "Den Fehler haben meine Frau und ich vor der Scheidung zum Glück nicht auch noch gemacht. Nicht daß ich meine, daß Sie ... äh. Sie verstehen schon, was ich meine."
Daß die Welt nicht noch mehr von Ihrer Sorte braucht? Thiel biß sich auf die Zunge. Zum Glück war ihm das jetzt nicht rausgerutscht. Und wieso redete er überhaupt schon wieder so lange mit Boerne?
"Aber man war ja schließlich selbst auch einmal Kind", redete Boerne unbeirrt weiter. "Wie alt ist Ihr Junior? Zwölf, dreizehn? Kein schönes Alter, so viel ist sicher."
"Zwölf", antwortete er, quasi auf Autopilot. Wieso redete er überhaupt schon wieder mit diesem ... diesem ...
"Das einzig Gute ist, so schnell es hochkocht, so schnell geht es auch wieder runter. In dem Alter, meine ich." Boerne lächelte ihm zu. "Er gewöhnt sich bestimmt schnell ein."
Es ist ja nicht nur das, dachte Thiel. Wenn es doch nur das wäre. "Es ist halt alles neu. Er kennt noch niemanden."
"Kinder finden schnell Freunde. Also ... die meisten." Boerne räusperte sich. "Ihr Sohn bestimmt."
Boerne war garantiert nicht der Typ gewesen, der schnell Freunde fand. Aber ja, er hatte recht, Lukas hatte in der Hinsicht nie große Probleme gehabt. Ganz anders als er selbst, wenn er ehrlich war. Da kam er mehr nach Susanne.
"Thiel? Hören Sie mir eigentlich noch zu?"
"Tschuldigung." Er machte eine vage Handbewegung. "Bin kein Morgenmensch."
"Das merkt man." Boerne ... strahlte ihn an. Wie konnte man um diese Uhrzeit bloß so gut gelaunt sein? "Ich habe gefragt, ob ich Sie nachher mitnehmen soll. Wir haben ja den gleichen Weg, und es ist schon recht spät, also, wenn Sie jetzt noch mit dem Rad loswollen, wird es ziemlich spät, und Sie wollen doch sicher nicht -"
"Ja." Er klemmte den Papierstapel unter den Arm und zog den Schlüssel wieder aus der Wohnungstür. "In 15 Minuten?"
Boerne nickte. "Ich schaue nur noch nach der Post und mache mich schnell fertig."
Garantiert hing Boernes Angebot vor allem damit zusammen, daß er ihn wegen ihres Falles ausquetschen wollte. Das hatte er schon gleich am ersten Tag gemerkt, daß der andere gerne mal über seinen Zuständigkeitsbereich hinaus ging. Thiel zog die Tür hinter sich zu. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, daß noch mehr dahintersteckte. Boerne hatte sich nicht über den Lärm beschwert und versuchte ganz offensichtlich, nett zu sein. Wenn er es nicht besser wüßte, könnte er fast denken ... Vielleicht hatte Boerne ja immer noch Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Thiel sah in den Spiegel, der im Flur hing, und mußte grinsen. Was für ein alberner Gedanke. Er war ganz bestimmt nicht der Typ Mensch, für den jemand wie Boerne sich ... was dachte er eigentlich gerade für einen Quatsch zusammen? Er suchte keinen Freund, er war erwachsen, er hatte einen Sohn, um den er sich kümmern mußte, und seit kurzem auch noch einen Vater, auch wenn der noch nicht so richtig eingesehen hatte, daß er Unterstützung brauchte.
Und jetzt mußte er zusehen, daß er loskam, nicht daß er am zweiten Tag gleich schon zu spät im Dienst erschien. Mal sehen, was "ich mache mich schnell fertig" bei jemandem wie Boerne hieß ...
* Fin *
Chapter 3: Novemberblues (Thiels POV)
Summary:
Regen. Dunkelheit und Regen, Regen, Regen.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2022): h/c – um Hilfe bitten – fürs Team
Genre: h/c, AU – Canon divergence
Anmerkung: Keine Ahnung, ob dieses AU zu einem Ende kommen wird. Ich habe keinen rechten Plan, wo es hinsoll. Aber doch noch Ideen für Fortsetzungen :)
Länge: ~ 500 Wörter
Zeit: ~ 40 Minuten
Chapter Text
***
Regen. Dunkelheit und Regen, Regen, Regen. Thiel schüttelte sich, nicht daß das viel brachte. Er war immer noch klatschnaß und durchgefroren. Und na toll, jetzt kratzte es nicht nur im Hals, jetzt fing es auch schon an in der Nase zu kribbeln ….
„Ha –“
„Gesundheit.“
„-tschi!“ Erschrocken drehte er sich um, nur um Boerne direkt hinter sich im Flur stehen zu sehen. Wie immer höchst akkurat gekleidet und natürlich komplett trocken. Da fühlte man sich selbst gleich noch desolater.
„Haben Sie sich eben tatsächlich geschüttelt wie ein … Hund? In meinem Flur?“
„Mein Gott Boerne.“ Er kramte nach einem Taschentuch. „Das ist nur Wasser.“
„Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie darauf bestehen, bei diesem Wetter Rad zu fahren.“
„Ist gesünder.“ Thiel schniefte.
„Das sehe ich.“ Boerne reichte ihm ein Taschentuch. „Und wo ist Ihr Junior an diesem schönen Herbsttag? Ich habe ihn heute weder treppauf noch treppab rennen hören. Und auch kein Türschlagen, wenn ich so drüber nachdenke.“
„Liegt mit Grippe im Bett.“ Er steckte das Taschentuch ein und ging vor Boerne die Treppe zu ihren Wohnungstüren hoch. „Und wenn Sie nichts von ihm gehört haben, geht’s ihm vermutlich wirklich so schlecht, wie er das heute Morgen behauptet hat.“
„Und da lassen Sie ihn allein?“
Er drehte sich um, den Schlüssel schon in der Hand. „Der Junge ist zwölf. Fast dreizehn. Und es ist nur eine Erkältung.“ Und überhaupt, was hätte er denn machen sollen. Seinen Vater anrufen? Der mußte selbst arbeiten, und ob er der geeignete Kandidat war, um sich um ein krankes Kind zu kümmern … das wollte er lieber nicht ausprobieren müssen.
Boerne nestelte an seinem Schlüsselbund. Reichlich umständlich, als würde er das erste Mal vor seiner Wohnungstür nach dem Schlüssel suchen. „Ich bin momentan zuhause. Also … in Urlaub.“
Er starrte den anderen an und versuchte, den tieferen Sinn dieser Information zu ergründen. Vielleicht war er tatsächlich nicht so ganz auf dem Damm, sein Kopf fühlte sich jedenfalls reichlich leer an.
„Wenn Sie wollen, kann ich tagsüber mal nach ihm sehen.“ Boerne räusperte sich. „Also, morgen. Wenn er morgen auch zuhause bleiben muß.“
„Sie wollen …“ Er suchte nach den richtigen Worten und sah vermutlich gerade reichlich dämlich aus. „Sie meinen …“
„Ich könnte hin und wieder mal bei ihm vorbeischauen. Zur Sicherheit. Das macht ja keine große Mühe, ich meine, ich habe morgen ohnehin nichts vor, und von daher … also wenn Sie möchten.“
„Das wäre … nett.“ Vermutlich. Irgendwie schon. Seltsam … aber nett.
„Keine Ursache. Das macht ja auch überhaupt keine Mühe.“ Boerne hob abwehrend die Hände. „Aber jetzt sehen Sie mal zu, daß Sie sich trockenlegen, sonst liegen Sie morgen selbst flach.“
Eine heiße Dusche war dringend angesagt. Thiel hustete zustimmend. „Moment, ich geb‘ Ihnen noch den Schlüssel, damit Sie –“
„Ich hab‘ Ihren Schlüssel!“ Boerne winkte ihm fröhlich zu, und ehe er noch etwas sagen konnte, war der andere schon in seiner Wohnung verschwunden.
Worauf hatte er sich da eingelassen?
* tbc *
Chapter 4: Freundschaftsdienst (Boernes POV)
Summary:
Boerne mischt sich ein.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): Tiere – (innerer) Schweinehund - fürs Team
Genre: Pre-Slash if you squint (not very hard)
Länge: ~ 800 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
Chapter Text
***
Das Wetter war jahreszeitlich typisch miserabel, und er gratulierte sich dazu, einen Parkplatz direkt vorm Haus ergattert zu haben. Heute hätte er nicht mal die drei Meter um die Ecke gehen wollen. Er hatte die Scheinwerfer und Scheibenwischer schon ausgeschaltet und streckte sich nach dem Regenschirm neben dem Beifahrersitz, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein kurzer Lichtschimmer, dann fiel die Haustür wieder zu. Aber es hatte gereicht, um einen vertrauten Umriß zu erkennen – Thiel, der tatsächlich bei diesem Regen mit dem Fahrrad unterwegs gewesen war. Boerne seufzte. Unvernünftig. Und gefährlich, was da alles passieren konnte im Dunkeln bei dem Wetter. Wirklich, man sollte von einem Polizeibeamten mehr Vernunft erwarten. Thiel war doch auch mal Streife gefahren, der kannte das doch. Entschlossen stürzte er sich in den Regen und schaffte es dank Schirm nahezu trocken in den Hausflur.
Im Gegensatz zu Thiel, der ihn an einen nassen Hund erinnerte … und sich auch so ähnlich benahm. Er wollte das gerade kommentieren, als ihn ein lautes Niesen ablenkte. Thiel sah so ertappt aus, als er ihm Gesundheit wünschte, daß er fast schon wieder Willens war ihm zu verzeihen, daß er seinen Hausflur unter Wasser setzte. Aber nur fast. Natürlich beschwerte er sich dennoch, schon aus Prinzip. Nicht daß Thiel sich noch einbildete, daß er sich so etwas herausnehmen durfte, bloß weil er gerade sehr naß und sehr unglücklich aussah und man ihn unwillkürlich trocken rubbeln wollte und … Schnell würgte er diesen Gedankengang ab, bevor er ihn noch mehr in Verlegenheit brachte. Stattdessen fragte er nach dem Jungen, ein unverfängliches Thema und etwas, über das Thiel meistens bereit war zu reden.
„Liegt mit Grippe im Bett“, antwortete Thiel lapidar und ging vor ihm die Treppe hinauf. „Und wenn Sie nichts von ihm gehört haben, geht’s ihm vermutlich wirklich so schlecht, wie er das heute Morgen behauptet hat.“
Die nassen Jeans waren recht ablenkend, und das war vermutlich der Grund, warum ihm der nächste Satz einfach ungefiltert herausrutschte. Dabei war Thiel immer so pingelig, wenn man irgendeinen Kommentar zu seinem Erziehungsstil abgab. Da wurde er immer gleich kratzbürstig, noch kratzbürstiger als er es sonst schon oft war.
„Der Junge ist zwölf! Fast dreizehn. Und es ist nur eine Erkältung.“ Thiel hatte sich umgedreht und funkelte ihn böse an, aber da war auch ein wenig … Schuldbewußtsein? Er wußte ja, daß es nicht einfach für den anderen war mit einem Kind und der Arbeit und keinen Verwandten außer … nunja. Aber er erinnerte sich auch wie es gewesen war in dem Alter, krank alleine zuhause. Natürlich war Personal dagewesen, aber das war doch nicht dasselbe wie eine Mutter. Oder ein Vater, er nahm an, daß Thiel das genausogut machte. Nach allem, was man so hörte, waren nicht alle Väter so wie sein Vater. Die Zeiten hatten sich geändert und es angeblich gab es inzwischen tatsächlich Männer, die sich für ihren Nachwuchs interessierten. Thiel starrte immer noch und ihm wurde plötzlich bewußt, daß er schon viel zu lange nichts mehr gesagt hatte.
Er könnte helfen.
Keine Ahnung, was er mit einem Zwölfjährigen anfangen sollte, aber der Junge war krank und er war Arzt. Er könnte zumindest nach ihm sehen und darauf achten, daß er nichts unvernünftiges tat. Und mit etwas Glück war das Kind noch so krank, daß sich keine Notwendigkeit ergab, Konversation zu machen. Seine Erfahrungen mit Zwölfjährigen beschränkten sich auf seine eigene Kindheit, und sie waren nicht erfreulich gewesen.
Andererseits: Der Junge war krank.
Und Thiel wäre vielleicht dankbar, wenn er … Boerne gab sich einen Ruck.
„Ich bin momentan zuhause. Also … in Urlaub.“
Es dauerte einen Moment, bis Thiel verstand. Er schob es darauf, daß der andere müde und naß und insgesamt nicht besonders auf der Höhe war. Das war vermutlich auch der Grund, warum er kaum Widerstand leistete. Ja, er war sich fast sicher, daß er froh war über das Angebot. Was bedeutete, daß Thiel jetzt ihm einen Gefallen schuldete, und das war eine interessante neue Entwicklung. Gut gelaunt lehnte er den Ersatzschlüssel ab – als Vermieter hatte er selbstverständlich einen Schlüssel, das war schließlich immer noch sein Haus – und zog die Wohnungstür hinter sich zu, bevor Thiel es sich noch einmal anders überlegen konnte. Sein Herz schlug mindestens doppelt so schnell wie normal, was merkwürdig war, denn eigentlich war doch gar nichts passiert. Außer daß Thiel seine Hilfe angenommen hatte, was schon denkwürdig war, denn bisher hatte er alle Versuche abgewehrt. Das höchste der Gefühle war, daß er sich ab und zu mit dem Auto mitnehmen ließ, aber das war ja so gut wie nichts. Das jetzt war anders. Das war ein Freundschaftsdienst, ja. Und aus irgendeinem Grund ließ der Gedanke seinen Herzschlag noch ein bißchen mehr beschleunigen.
***
Chapter 5: Hohe Diplomatie (Boernes POV)
Summary:
Zwölfjährige waren viel einfacher im Umgang, wenn man selbst nicht mehr zwölf war.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): Reverse – Am seidenen Faden - fürs Team
Genre: Humor
Länge: ~ 650 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
Chapter Text
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Als er am nächsten Morgen nach kurzem Klingeln die nachbarschaftliche Wohnung betrat, konnte er den Patienten dank eines durchdringenden Hustens sofort im Wohnzimmer lokalisieren. Ein schneller Rundblick bestätigte die Situation: ein blonder Haarschopf lugte unter einer Wolldecke auf dem Sofa hervor, im Fernsehen lief etwas buntes und kindgerechtes (vermutlich, es wurde viel geschossen), und Thiel hatte soviel Vernunft besessen, seinem Sohn Wasser neben das Sofa und Hustensaft auf den Tisch zu stellen.
„Guten Morgen, Herr … äh … Thiel Junior.“ Wie hieß der Knabe nochmal?
„Hallo …“ Müde Augen schauten unter der Decke hervor und er griff schnell nach dem Hustensaft, um die Inhaltsstoffe zu kontrollieren. Frischgepresster Thymian – es gab schlimmeres im Bereich der sogenannten Naturmedizin. Thymian hatte immerhin wirklich schleimlösende Wirkung. Und so wie sich das Husten angehört hatte, waren bislang nur die oberen Atemwege beteiligt. Eine ordinäre Erkältung also.
„Wie geht es dir?“
„Gut.“ Der Junge setzte sich auf und warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Ich brauche keinen Babysitter.“
Oha. Die Situation war diffizil und verlangte ein Höchstmaß an Diplomatie. „Gewiß, gewiß.“ Er räusperte sich. „Ich bin sicher, daß du alleine zurechtkommst, aber es beruhigt deinen Vater, wenn er weiß, daß ich hin und wieder nach dir schaue.“
Das Gesicht wurde ein klein wenig weniger trotzig, und der Junge griff nach der Fernbedienung, um den Ton auszumachen. Eine wahre Erleichterung, wie er das bei dem Lärm aushalten konnte, war ihm ein Rätsel.
„Der Kopf tut weh.“
Kein Wunder bei der Geräuschkulisse. Aber er verkniff sich einen entsprechenden Kommentar, um den gerade erreichten Waffenstillstand nicht zu gefährden. Stattdessen ging er zum Fenster, um frische Luft in die Wohnung zu lassen. „Mehr Sauerstoff, das hilft. Aber wenn die Kopfschmerzen schlimmer statt besser werden, kann ich dir auch ein Schmerzmittel geben.“ Er drehte sich um. „Hat dein Vater dir was zum Essen vorbereitet?“
„In der Küche ist noch Pizza –“ ein neuerlicher Hustenanfall „– von gestern.“
„Pfff …“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. Da war aber noch Luft nach oben. „Ich bringe dir nachher einen Teller Hühnerbrühe vorbei, die wirkt Wunder bei Erkältungen.“
„Hat Ihre Mutter die früher gekocht?“
Das Thema hatte er eigentlich vermeiden wollen, kranke Kinder sehnten sich ja oft nach ihrer Mutter und das war nun mal etwas, bei dem er gar nicht helfen konnte. Deshalb nickte er einfach nur, auch wenn es in Wirklichkeit sein Kindermädchen gewesen war, damals, als er noch ein Kindermädchen hatte. Danach hatte er ohne Hühnerbrühe auskommen müssen.
„Vielleicht versuchst du nochmal zu schlafen, und ich komme mittags wieder und wir schauen, wie es deinen Kopfschmerzen dann geht.“
***
Und da behauptete seine Schwester immer, er habe so viel Takt wie ein Elefant im Porzellanladen! Dabei hatte er diese knifflige Situation doch hervorragend gemeistert, dachte Boerne, als er am späten Nachmittag in seine eigene Wohnung zurückkehrte. Das hätte gleich am Anfang durchaus kippen können, aber mit seinem Verweis auf Thiels Sorgen hatte er die Lage gekonnt entspannt. Die Hühnerbrühe und ein potentes Schmerzmittel hatten Lukas Stimmung zusätzlich gehoben und selbst das mit der Konversation hatte sich überraschend einfach geregelt. Zwölfjährige waren viel einfacher im Umgang, wenn man selbst nicht mehr zwölf war. Tatsächlich hatte er selten einen so interessierten Zuhörer gehabt, wenn er von seiner Arbeit erzählte. Da war der Junge ganz anders als sein Vater – was Thiel unappetitlich fand, fand Lukas cool. Das erinnerte ihn ein wenig an seine eigene Begeisterung für die Wissenschaft, als er im gleichen Alter gewesen war. Von seinem Vater hatte der Junge das nicht, so viel war sicher. Hatte Thiel ihm eigentlich mal erzählt was seine Ex-Frau machte? Da konnte er ihn heute Abend ja mal nach fragen. Oh, und den Frosch mußte er noch besorgen. Vermutlich lernte der Junge bei ihm krank mehr als in einem halben Jahr Biologieunterricht – ein guter Ausgleich für die versäumten Schulstunden. Thiel würde ihm dankbar sein, soviel war sicher.
***
Chapter 6: Annäherung (Thiels POV)
Summary:
Die Freunde seiner Kinder kann man sich bekanntlich nicht aussuchen.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2022): Farben – grün (Hoffnung) – fürs Team
Anmerkung: Das Prompt ist ein wenig schwach in diesem *hüstel* Aber es kommt noch vor, gegen Ende.
Länge: ~ 600 Wörter
Zeit: ~ 45 Minuten
Chapter Text
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„Hallo!“ Thiel streckte den Kopf ins Wohnzimmer, während er gleichzeitig versuchte, die Schuhe auszuziehen und im Flur zu lassen. „Na, wie geht’s dir?“
„Gut“, krächzte Lukas und wühlte sich unter der Decke hervor. Um ihn herum standen unzählige Tassen und Schüsseln, und auf dem Boden türmten sich benutzte Papiertaschentücher. „Fieber ist weg.“
„Klasse!“ Er schubste ein paar Tempos beiseite und setzte sich neben seinen Sohn. Ein kurzer Kontrollgriff an die Stirn bestätigte, daß der Junge recht hatte.
„Papa!“ Lukas schob seine Hand beiseite. „Dafür nimmt man ein Fieberthermometer.“
„Aber wenn man kein –“
„Boerne hat uns eins geliehen.“
„Herr Boerne.“ Thiel runzelte die Stirn. Da lag tatsächlich ein Thermometer auf dem Tisch. Und mehrere Schachteln mit Medikamenten.
„Er hat gesagt, Boerne ist O.K.“
„So. Hat er das.“ Thiel seufzte.
„Ja.“ Lukas hustete. „Ich hab‘ ihm gesagt, er kann Lukas zu mir sagen.“
„Was denn sonst?“
„Thiel Junior.“
Er starte seinen Sohn entgeistert an. „Nicht im Ernst.“
„Doch“, Lukas nickte eifrig. „Im Ernst. Dich nennt er Thiel, mich hat er Thiel Junior genannt und Opa Thiel Senior. Ist irgendwie sowas lateinisches.“
Er mußte sich das Grinsen verkneifen. Seinem Vater wäre „Herbert“ vermutlich auch deutlich lieber als „Thiel Senior“, aber bevor Boerne seinen Vater einfach Herbert nannte, würden Schweine fliegen. Er war ja in der ganzen Zeit, die er nun schon hier wohnte, noch nicht auf die Idee gekommen, ihm das Du anzubieten. Was ganz besonders komisch war, weil man sich auf der Arbeit ansonsten duzte. Also auf dem Revier. In Boernes Rechtsmedizin natürlich nicht. Der duzte nicht mal seine Assistentin, dabei waren die zwei ziemlich eng und arbeiteten schon seit Jahren zusammen.
„Na, Hauptsache, es geht dir wieder besser.“ Seine Stimmung verbesserte sich noch mehr, als ihm auffiel, was das bedeutete. „Da kannst du ja morgen vielleicht schon wieder zur Schule …“
„Ich bin doch noch krank!“ Lukas sah ihn empört an und hustete demonstrativ. „Boerne hat gesagt, das muß ich richtig auskurieren, und daß ich bis Ende der Woche zuhause bleiben soll. Und er ist schließlich Arzt! Außerdem hat er noch die ganze Woche Urlaub und kann sich um mich kümmern, das ist alles gar kein Problem!“
Thiel unterdrückte mit Mühe ein Augenverdrehen. So viel zu seiner Hoffnung, daß sich der aktuelle Zustand schnell beenden ließ. Natürlich fand er es total nett von Boerne, daß der nach Lukas sah, so daß er beruhigt arbeiten konnte. Aber daß sein Vermieter in seiner Wohnung ein und aus ging, wie es ihm paßte, und das noch mit seiner Zustimmung, das gefiel ihm ganz und gar nicht. Und daß er sich mit seinem Sohn anzufreunden schien – er wußte noch nicht, wie er das fand.
„Außerdem will er mir zeigen, wie man einen Frosch seziert.“ Lukas sah ihn mit großen, hoffnungsvollen Augen an. „Bitte …“
Igitt! Thiel seufzte. So weit war es also schon gekommen, mit den beiden. Aber nein zu sagen, das brachte er dann doch nicht übers Herz. Vor allem, weil der Junge immer noch reichlich blaß aussah, und der Husten hörte sich immer noch nicht wirklich gut an.
„Also morgen bleibst du auf jeden Fall noch zu hause.“ Lukas strahlte. „Und dann sehen wir weiter.“
Er konnte nur hoffen, daß das gut ging. Lukas hatte sich gerade erst halbwegs in Münster eingelebt und sich notgedrungen damit abgefunden, daß er mit seiner Mutter nur noch telefonieren konnte. In der Schule hatte er erste Kontakte geknüpft, und zu Herbert war die Beziehung auch enger geworden. Und jetzt Boerne. Von dem er immer noch nicht so recht wußte, was er von ihm halten sollte. Lukas schien sich mehr und mehr daran zu gewöhnen, daß ihr Nachbar eine Konstante in seinem Leben war, aber wie konstant konnte so etwas schon sein? Er konnte wirklich nur hoffen, daß der Junge nicht in Kürze schon wieder enttäuscht wurde.
* tbc *
Chapter 7: Der erste Fall (Thiels POV)
Summary:
Ihr erster gemeinsamer Mordfall lässt kein halbes Jahr auf sich warten. Und das im beschaulichen Münster. Alternate Canon zu „Der dunkle Fleck“.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2025): Krimi/Thriller – Moorleiche – fürs Team
Genre: möglicherweise Pre-Slash
A/N: Ich habe den Fehler gemacht, mich durch das Prompt auf den Münster Canon zurückführen zu lassen. Nah am Canon finde ich immer schwierig, aber nun gut. Mal schauen, wohin das führt. Länge: ~ 800 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
Chapter Text
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Er war noch kein halbes Jahr in Münster, als ihm der erste Mordfall zugeteilt wurde. Wobei „zugeteilt“ nicht ganz das richtige Wort war, er war da eigentlich selbst reingeschlittert, als er auf dem Weg vom Baumarkt nach Hause einen vermeintlichen Einbruch beobachtet hatte. Und Mordfall war auch nicht ganz richtig, denn zunächst war es erst einmal nur um eine vermißte Person gegangen. Er hatte jedoch schon ziemlich früh ein ungutes Gefühl, was das Verschwinden von Jennifer Müllers Mutter anging – ein Gefühl, das durch die Blutspuren in der Garage nicht unwesentlich befeuert wurde.
Tatsächlich war das dann auch das erste Mal, daß er mit Boerne direkt zusammenarbeitete. Sein Vermieter und Nachbar hatte auf der Arbeit den Ruf, schwierig zu sein, aber Thiel kam eigentlich ganz gut mit ihm zurecht. Das Untersuchungsergebnis zu den Spuren in der Garage kam prompt frei Haus geliefert, und jenseits aller Flapsigkeit wußte Thiel das Tempo und die Präzision, mit dem die Arbeit erledigt wurde, doch zu schätzen.
Und dann tauchte auch schon der nächste Fall auf, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Moorleiche, und leider keine von der prähistorischen Sorte. Das war ihnen zuerst natürlich noch nicht klar, aber Boerne war so oder so ganz aus dem Häuschen. Schwafelte von Veröffentlichungen, die sich aus diesem Fund ergeben würden, und was für eine einmalige Chance das für ihn als Rechtsmediziner sei. Wenn er den anderen nicht besser gekannt hätte, hätte er ihn für komplett takt- und gefühllos gehalten. Der Meinung waren wohl auch seine Kollegen, aber ihn erinnerte Boerne in dem Moment vor allem an den Mann, der voller Begeisterung mit seinem Sohn Frösche sezierte. Nicht, daß er das nachvollziehen konnte, aber aus irgendeinem Grund begeisterte der Fund einer Moorleiche Boerne wirklich.
Er ließ es sich dann aber doch nicht nehmen, dem anderen gehörig unter die Nase zu reiben, dass er als erstes erkannt hatte, dass es sich um eine zeitgenössische Leiche handelte. Die Turnschuhe waren kaum noch zu erkennen, aber er hatte sie erkannt. Da konnte Boerne noch so oft „ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn“ sagen, übersehen hatte er das dennoch. Dafür identifizierte er dann in Windeseile das Opfer anhand eines künstlichen Hüftgelenks als eine ehemalige Mitschülerin.
„Wie klein ist Münster eigentlich?“ Die Frage hatte ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen, und als sie auf dem Weg zu den Eltern der Toten waren, mußte er sie einfach loswerden. Nicht nur, dass ihr Leichenfund eine Mitschülerin (und Flamme) aus Boernes Jugendzeiten war, nein, auch sein Vermißtenfall hatte einen Bezug zu dieser Familie. In Hamburg, so viel war sicher, wäre das nie passiert.
„Münster ist die westfälische Metropole schlechthin, Herr Thiel.“ Boerne warf ihm einen strengen Blick zu. „Bloß weil ich zufällig Stephanie Alsfeld kannte, heißt das noch lange nicht, daß hier jeder jeden kennt.“
„Und Frau Müller?“
„Zwei Zufälle. Sowas kann schon mal passieren.“
Ihm war das ja mindestens ein Zufall zu viel. Aber dann kam das Anwesen der Alsfelds ins Blickfeld und er verkniff sich weitere Kommentare. Für einen Moment dachte er, er sei im falschen Film und würde irgendwo unter englischem Landadel ermitteln. „Schicke Hütte.“
„Die Alsfelds gehören zum Kreis der alteingesessenen Münsteraner Familien.“
„Kapitalistische Ausbeuter also.“ Er lachte, als er Boernes empörten Blick sah. „Kein Wunder, daß Sie bei Stephanie nicht zum Zug kamen.“
„Erstens sind die Boernes mindestens ebenso alteingesessen wie die Alsfelds, und zweitens hatte das andere Gründe.“
Die Geschichte mit dem geplünderten Weinkeller und dem Flügel hörte er dann auf dem Weg zum Haus und merkwürdigerweise war er Boerne dankbar dafür. Todesnachrichten zu überbringen war nicht gerade der Teil seines Berufes, der ihn begeisterte. Selbst wenn es in diesem Fall nach so vielen Jahren vielleicht eher einer Erleichterung war, endlich Gewißheit zu haben.
***
Der Besuch bei den Alsfelds war, alles in allem, wirklich unangenehm gewesen. Was für seltsame, kalte, unangenehme Menschen. Einzig der Bruder schien ihm einigermaßen normal zu sein. Die Mutter konnte er gar nicht einschätzen. Bei dem Vater hatte er zumindest das Gefühl, daß ihn der Verlust seiner Tochter schmerzte. Aber die Gutsherrenart, mit der er ihm vorschreiben wollte, was als nächstes zu geschehen hatte, konnte er überhaupt nicht ab. Und die Art, mit der er Boerne zur Schnecke gemacht hatte – als hätte er immer noch einen Fünfzehnjährigen vor sich, den er einfach abkanzeln konnte. Nicht daß ein solches Benehmen einem Kind gegenüber besser gewesen wäre, eher im Gegenteil.
Boerne war äußerlich ruhig geblieben und hatte Alsfeld in seine Schranken gewiesen, aber er hatte förmlich sehen können, wie er dabei innerlich die Fäuste ballte. Soviel Selbstbeherrschung hatte er dem anderen gar nicht zugetraut. Trotzdem, als sie Schloß Dracula endlich wieder den Rücken kehren konnten, hatte er das Gefühl, daß Boerne kurz vorm Explodieren war.
„Alles in Ordnung?“
„Ja.“ Boerne holte tief Luft. „Nein, nicht wirklich.“
Thiel seufzte. „Ich sag das ja nicht gerne über Eltern, die ihr Kind verloren haben, aber –“
„Der Alte war schon immer ein mieses Arschloch.“ Boerne hatte nun wirklich die Fäuste geballt. „Ich dachte, meine Erinnerung wäre vielleicht … Aber nein. Er ist wirklich so.“
„Ja.“ Sie sahen sich an, und Boerne entspannte sich langsam wieder.
„Aber hier geht es um Stephanie, zur Hölle mit dem Alten.“
„Ganz meine Meinung. Aber Frau Klemm gegenüber drücken Sie das besser ein bißchen diplomatischer aus.“
Boerne schnaubte. „Keine Sorge.“
***
Chapter 8: Fünfzehn (Lukas POV)
Summary:
Alternate Canon zu „Der dunkle Fleck“.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2025): Krimi – Cold Case – fürs Team
Genre: Krimi
A/N: Sehr tricky. Ich habe eine vage Vorstellung, wie Kinder in dem Alter sich heute ausdrücken, und natürlich erinnere ich mich daran, wie sie in den 1980ern klangen. Aber 2002/2003?
Länge: ~ 850 Wörter
Zeit: ~ 80 Minuten
Chapter Text
***
Sein Vater behandelte ihn echt immer noch wie ein Kind. Dabei war er schon fast 13, und von dem Fall mit der Moorleiche hatte er natürlich in der Schule gehört. Ein echter Cold Case, so was war voll cool. Und er war direkt an der Quelle, also theoretisch. Er hätte der Held auf dem Schulhof sein können, aber sein Vater war natürlich immer nur so darüber darf ich nicht reden, das weißt du doch. Wenigstens verkniff er sich das dafür bist du noch zu jung, aber Lukas wußte natürlich, daß er sich das dachte.
Boerne ließ sich da schon eher bequatschen, der nahm es sowieso meistens nicht ganz so genau wie sein Vater. Außer wenn es um Schulnoten ging. Als wäre eine drei keine gute Note mehr! Ja gut, ausgerechnet in Biologie, was ihm ja eigentlich Spaß machte. Aber er hatte halt einen schlechten Tag gehabt und die Aufgaben auf der Rückseite übersehen. Sowas konnte ja mal passieren. Fand sein Vater wenigstens. Richtig in die Wolle gekriegt hatten sich die beiden da, vor allem als Boerne angefangen hatte mit diesem Aufmerksamkeitsirgendwas. Wie auch immer, Boerne war kein Polizist und durfte über seine Arbeit reden, glaubte er wenigstens. Und weil er selbst keine Kinder hatte, vergaß er gerne mal, was in den Augen seines Vaters für Kinder seines Alters noch nicht geeignet war.
„Erwürgt, echt jetzt?“
„Ja, aber die Strangulationsspur …“ Boerne zögerte. „Da paßt noch nicht alles zusammen.“
„Und die war wirklich mit dir in der Schule?“ Er konnte sich nur sehr schwer vorstellen, daß Boerne irgendwann einmal in der Schule gewesen war. Aber angeblich war ja jeder mal jung gewesen, selbst Boerne oder sein Vater.
„Stephanie? Ja, von der fünften bis zur achten. Dann hat sie die Schule gewechselt, hieß es damals jedenfalls.“ Boerne hörte auf zu reden und starrte nur noch vor sich hin. Lukas räusperte sich. „Und?“
„Was?“
„Wie war sie denn? Was glaubst du, warum sie jemand umbringen wollte?“
„Sie war ein Kind“, entgegnete Boerne ungewohnt scharf. „Sie war erst fünfzehn, als sie gestorben ist, warum um Himmels Willen hätte sie jemand umbringen wollen! Sie war ja kaum älter als -“
Mit fünfzehn war man seiner Meinung nach definitiv kein Kind mehr. Vielleicht noch nicht richtig erwachsen, aber bestimmt kein Kind mehr. „Hatte sie einen Freund?“
„Ich sollte dir das alles überhaupt nicht erzählen.“ Boerne stand auf. „Wollte dein Vater nicht schon längst wieder hier sein?“
„Der arbeitet im Moment immer lange. Wegen dem Fall.“ Er zögerte kurz und überlegte, ob er es nochmal versuchen sollte, aber Boerne hatte eindeutig Skrupel gekriegt. Dabei hatte er ihm doch fast gar nichts erzählt, jedenfalls nichts, was nicht auch in einem der Krimis passiert war, die er schon gesehen hatte.
„Und du weißt, daß du nichts davon weitererzählen darfst? Der Name des Opfers ist noch nicht veröffentlicht.“
Mann. „Ich bin doch nicht blöd.“
„Und deinem Vater erzählst du vielleicht auch besser nichts … ich meine, wenn er nach Hause kommt, will er auch mal an was anderes denken als an die Arbeit.“
„Ja klar.“ Lukas konnte das Gähnen nicht unterdrücken, so sehr er sich auch bemühte. Aber bevor Boerne anfangen konnte mit der Uhrzeit und daß er morgen zur Schule mußte, redete er schnell weiter. „Aber das ist doch voll spannend diesmal, so ein historischer Fall.“
„Historisch?“ Boerne schnaubte amüsiert. „Für wie alt hältst du mich eigentlich? Das ist nur gute zwanzig Jahre her!“
„Eben. Zwanzig Jahre. Historisch.“
Boerne verdrehte die Augen. „Wie auch immer, es ist schon nach neun. Du solltest jetzt wirklich ins Bett, morgen ist Schule.“
„Ja …“
„Und Zähneputzen nicht vergessen!“
„Mhm …“ Er stand auf. „Bleibst du noch hier, bis Papa kommt?“
Boerne hob seinen Aktenordner an. „Ich hab‘ noch reichlich Klausuren zu korrigieren.“
Gut. Nicht, daß er nicht alt genug gewesen wäre, um alleine in der Wohnung zu sein. Er war immerhin fast dreizehn. Aber netter war es trotzdem, wenn jemand da war. „Gute Nacht.“
„Schlaf gut.“ Boerne hatte schon wieder den Rotstift gezückt und winkte, ohne aufzuschauen. In der Haut seiner Studis wollte er auch lieber mal nicht stecken. Boerne war garantiert super pingelig. Komisch, wenn man sich vorstellte, daß die ja nun wirklich erwachsen waren, und immer noch Arbeiten schreiben mußten. Also eins war klar – wenn er so alt war, wollte er nix mehr mit Schule zu tun haben.
Pflichtschuldig putzte er seine Zähne – 3 Minuten, tönte Boernes Stimme in seinem Kopf, als ob er so viel Zeit hatte – warf seine Klamotten im Bad auf den Boden und zog den Schlafanzug an.
Fünfzehn. Sie war nur zwei Klassen über ihm gewesen. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl ausgesehen hatte. Wie eins der Mädchen aus der Achten? Auf den Fotos seines Vaters aus der Zeit sah alles ganz unscharf und rotstichig aus und die Mädchen hatten lange Haare und kurze Röcke. Ob Boerne wohl Fotos hatte aus der Schule? Jahrbücher, wie in amerikanischen Serien? Seine Schule hatte sowas natürlich nicht, aber Boerne war bestimmt auf so einer privaten Schule gewesen. Morgen würde er ihn fragen, ob …
***
Chapter 9: Auflösung (Thiels POV)
Summary:
Alternate Canon zu „Der dunkle Fleck“.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): h/c – „Das wird schon wieder.“ – fürs Team
Genre: möglicherweise Pre-Slash
A/N: Ich habe den Fehler gemacht, mich durch das Prompt auf den Münster Canon zurückführen zu lassen. AUs nah am Canon finde ich immer schwierig, aber nun gut. Mal schauen, wohin das führt. Länge: ~ 750 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
Chapter Text
***
Am Ende hing doch alles mit allem zusammen, so unwahrscheinlich das am Anfang ausgesehen hatte. Der alte Alsfeld hatte sich selbst gerichtet, wie man so schön sagte. Thiel konnte nicht behaupten, daß ihm das leid tat. Für den Mißbrauch an seiner Tochter wäre er nicht mehr zu belangen gewesen, und das Verhältnis mit seiner (Enkel)tochter fiel durch alle strafrechtlichen Raster. Sein Gerechtigkeitssinn hätte das nur schwer verkraftet. Vorsichtig zog er die Decke etwas höher und warf einen letzten Blick auf Lukas, der friedlich schlief. Die letzten Wochen hatte er nur wenig Zeit für seinen Sohn gehabt, aber Lukas hatte ihn überrascht damit, wie selbständig er geworden war. Er hatte fast den Eindruck gehabt, als ahnte der Junge, was ihn beschäftigte. Jedenfalls hatte er alles getan, um ihm das Leben nicht noch zusätzlich zu erschweren. Aber jetzt sollte sich das wieder ändern. Ein Kind in dem Alter sollte sich nicht um seine Eltern kümmern müssen, noch war das Verhältnis umgekehrt.
„Thiel …?“ Boerne steckte den Kopf ins Zimmer. „Schläft er?“
Er nickte und stand auf. „Hat der Wein genug Luft geschnappt?“
„Geatmet, Thiel, geatmet“, erklärte Boerne, nachdem er die Tür zu Lukas Schlafzimmer leise ins Schloß gezogen hatte. „Und das hat er. Außerdem ist die Quiche fertig.“
Die Feier war Boernes Idee gewesen. Ihm war eigentlich nicht wirklich nach feiern zumute, aber er hatte sich überreden lassen. Besser als trübsinnig alleine zuhause zu sitzen, war das allemal. Er setzte sich und sah zu, wie Boerne ihnen mit großer Geste Wein einschenkte. Aus so einer komischen Vase, wie hieß das Ding nochmal? Die Quiche auf der Mitte des Tisches interessierte ihn eindeutig mehr. Er griff nach dem Messer, um sie anzuschneiden, und – „Aua!“ Fluchend schüttelte er die Hand, mit der er die heiße Form angefaßt hatte.
„Was machen Sie denn da!“ Boerne griff nach seiner Hand und hielt sie fest, während er sich suchend umsah. „Moment …“ Kühles Glas drückte sich gegen seine Finger und der Schmerz ließ langsam nach. „Das wird schon wieder … warum nehmen Sie denn nicht die Topflappen?“
Thiel rollte mit den Augen. Ja, jetzt war er auch schlauer. Er mußte ziemlich fertig sein, wenn ihm so ein dummer Fehler passierte. Vielleicht war das mit dem Wein doch keine so gute Idee, aber als Boerne heute Abend mit der Flasche und der Quicheform bei ihm vor der Tür gestanden hatte, hatte er es einfach nicht über sich gebracht nein zu sagen. All zu deutlich war dem anderen anzusehen gewesen, wie sehr ihn die ganze Geschichte mitgenommen hatte.
„Alles halb so wild, tut schon gar nicht mehr weh.“
Boerne stellte die Bierflasche zurück auf den Tisch. Nur die Hand, die ließ er nicht los. Thiel räusperte sich.
„Was?“ Boerne sah nach unten, auf Thiels Hand in seiner. „Oh.“
„Mit einer Hand kann ich schlecht essen“, scherzte Thiel, auch wenn ihm alles andere als nach Scherzen zumute war. Boerne war schon den ganzen Abend so merkwürdig. Dabei hatte er doch versprochen, daß er schon bald wieder sein garstiges altes Selbst sein würde. Vor ein paar Tagen, in Jennifer Müllers Wohnung, das kam ihm jetzt vor, als wäre es eine halbe Ewigkeit her.
Die Quiche war gut, richtig gut, und der Wein vermutlich auch, nur daß er nichts davon verstand. Aber er sagte Boerne, daß er gut sei, und hörte sich einen Vortrag an über die Vorzüge dieser Rebsorte, das richtige Glas, die richtige Temperatur und die optimale Zeit, die der Wein an der Luft sein sollte, bevor man ihn trank. Also eigentlich genauso wie immer: Boerne redete, er dachte an was anderes.
Nur daß er jetzt das Bild nicht mehr los wurde, von Boerne, der Jennifer zudeckte. Das wird schon wieder. Das hatte er auch da gesagt, zu Jennifer. Ein schwacher Trost, denn natürlich wurde nichts wieder gut – Jennifers Mutter wurde nicht mehr lebendig, und ihre leibliche Mutter sowieso nicht, und was Alsfeld getan hatte, ließ sich auch nicht mehr rückgängig machen. Aber trotzdem ein Trost, vielleicht der einzige, den es in der Situation geben konnte. Das Leben ging weiter, immer weiter, auch wenn Dinge passierten, von denen man dachte, daß man sie nicht überleben könnte. Davon hatte er schon mehr gesehen und erlebt als ihm lieb war.
„Danke.“
Boerne stockte in seinem Vortrag und sah ihn überrascht an. „Wofür?“
Dafür, daß du für Jennifer da warst, als ich es nicht war, dachte er. Aber er sagte „für den Abend“, was ja auch stimmte, irgendwie. Und er war froh, daß er andere langsam wirklich wieder sein altes, gar nicht so garstiges Selbst war.
***
Chapter 10: Road Trip (Lukas POV)
Summary:
Thiel, Boerne und Lukas sind unterwegs.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2025): Ort – im Stau – fürs Team
Genre: slice of life, Humor
Länge: ~ 550 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
Chapter Text
***
„Links ist schneller.“
„Das ist eine Illusion, Thiel. Im Stau kommt man auf allen Spuren gleich schnell voran.“
„Und wieso rollen die da jetzt und wir stehen?“
„Bis ich die Spur gewechselt habe, stehen sie dort und rollen hier!“
„Wenn Sie ein bißchen zackiger fahren würden …“
„Da sagen Sie das richtige, Thiel. Ich fahre. Nicht Sie.“
„Meine Güte, ich wollte ja nur helfen.“
„Wir kommen schon noch nach hause. Jetzt üben Sie sich eben mal in Geduld und nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Sohn.“
Sein Vater schnaubte entnervt, und Lukas schloß die Augen wieder. Er hatte genug Pommes und Eiscreme intus, um das noch einige Zeit durchzuhalten. Und morgen keine Schule, war ihm doch egal, wann sie heimkamen. Auf der Hinfahrt wäre der Stau echt dämlich gewesen, aber jetzt …
„Wenn Sie gleich abgefahren wären, als ich Ihnen gesagt habe Sie sollen abfahren, dann –“
„- dann würden wir uns jetzt mit tausenden von anderen über die Landstraße quälen. Kenne ich mich hier aus oder Sie?“
„Sie“, brummte sein Vater mißmutig.
„Und habe ich Ihnen einen Gefallen getan oder Sie mir?“
„Ja, ja, ist ja schon gut.“
Lukas gähnte, während der Wagen sich ruckelnd ein paar Meter vorwärts bewegte und dann wieder zum Stehen kam. Das erinnerte ihn an früher, an Ferien mit seinen Eltern. Da hatte er auf den langen Fahrten auch meistens geschlafen. Das war, bevor sie angefangen hatten so viel zu streiten. Also, richtig zu streiten. Damals hatte es allenfalls solche Diskussionen gegeben, weil seine Mutter der Meinung gewesen war eine Abkürzung zu kennen, oder das eine Mal, als sein Vater vergessen hatte rechtzeitig zu tanken und sie alle drei die Daumen drücken mußten, damit das Benzin bis zur nächsten Tankstelle reichte. Es hörte sich an wie Streit, war aber keiner. Er hatte sich damals nie Sorgen gemacht, ganz anders als später.
„Ich hatte allerdings den Eindruck, als hätten Sie auch ziemlich viel Spaß gehabt.“
„Ich? Wer war den kaum noch wegzukriegen vom großen Bauplatz?“
„Ich habe ja auch nie behauptet, daß das Kinderkram ist.“
„Das habe ich nie gesagt!“ Das Auto bremste etwas heftiger ab und Lukas blinzelte genau im richtigen Moment, um den empörten Blick zu sehen, den Boerne seinem Vater zuwarf. Seiner Meinung nach war Lego ja schon Kinderkram. Eigentlich. Aber wenn man so viele Steine hatte, und alle möglichen Modelle ausprobieren konnte, war das doch ziemlich cool. Und sein Vater hatte sich so gefreut, als er ihm von dem Legoland-Ausflug erzählt hatte. „Wie früher!“
„… sogar sehr förderlich für die Kreativität. Ich hatte nur befürchtet, daß Ihr Junior sich dem ganzen vielleicht schon entwachsen fühlen könnte.“
„Mit Lego kann man immer spielen, in jedem Alter“, behauptete sein Vater im Brustton der Überzeugung. „Was man heute ja auch wieder gesehen hat.“
„Da vorne ist Blaulicht!“ Lukas reckte den Hals, um besser sehen zu können. „Ist das der Unfall?“
„Vielleicht.“ Sein Vater drehte sich zu ihm um. „Dann sind wir hier vielleicht bald raus.“
„Freuen Sie sich nicht zu früh, Thiel. Vor Münster ist noch die große Baustelle.“
„Jetzt seien Sie doch mal ein bißchen optimistischer.“
„Ich bin nur realistisch.“ Boerne setzte den Blinker und fädelte sich in die linke Spur ein. „Aber jetzt rollt es erst mal wieder.“
„Sag ich doch!“
Lukas beobachtete, wie die Landschaft wieder zügig am Fenster vorbeizog.
Wie früher.
***
Chapter 11: Fakten (Thiels POV)
Summary:
Spielt nach dem Ende von „Fakten, Fakten“. (Thiels POV)
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2025): Sinneseindrücke – einen Luftzug spüren
Genre: h/c
Länge: ~ 650 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
Chapter Text
***
Fürs erste hat er wirklich genug von Fällen mit Kindern. Erst Stephanie Alsfeld, und jetzt Max. Nie würde er den Gesichtsausdruck des Jungen vergessen, als er ihm hatte sagen müssen, daß sie seine Mutter gefunden hatten. Daß Max ihn an Lukas erinnerte, machte die Sache nicht leichter. Es fühlte sich feige an, aber er war froh, daß er dem Jungen nicht alles hatte sagen müssen. Der Kollege vom Sozialpsychologischen Dienst war der Meinung gewesen, daß Max die Fakten nach und nach erfahren sollte, und daß es fürs erste wichtig war, daß er den Tod seiner Mutter verarbeitete. Wie sie gestorben war und durch wen hätte das Kind aus seiner Sicht überfordert. Da konnte er nur zustimmen, auch wenn er nichts von Psychologie verstand. Wie sollte ein Zehnjähriger auch verstehen, daß der Mann, den er für seinen Vater hielt, seine Mutter ermordet hatte. Er fand es schwer, das zu verstehen. Dieses Ausmaß an gekränkter Eitelkeit, dieses Besitzdenken, das sich dahinter verbarg. Juliane hatte ihn verlassen, das Kind war nicht von ihm – ja, so etwas tat weh. Aber die Frau kaltblütig umzubringen, dem Jungen die Mutter zu nehmen, alles weil das eigene Ego diese Kränkung nicht verkraften konnte – das war durch nichts zu entschuldigen.
Er war so in Gedanken versunken, daß er nichts um sich herum wahrnahm. Bis er plötzlich einen leichten Luftzug im Gesicht spürte, der ebenso unvermittelt aufhörte, wie er begonnen hatte. Er hatte das Küchenfenster gekippt, und mit dem Luftzug war der Geruch des Frühsommers in die Wohnung gekommen. Und Boerne. Der andere hatte die Tür so leise geöffnet, daß er ihn erst bemerkte, als er sich neben ihn an den Küchentisch setzte. Den Schlüssel zur Wohnung hatte er schon lange, erst als Ersatzschlüssel, dann um nach Lukas zu sehen, dann um Lukas abzuholen oder wieder in die Wohnung zu lassen, wenn er ihn irgendwohin mitgenommen hatte. Einfach so ließ er sich normalerweise nicht in die Wohnung, aber im Augenblick war alles ein wenig aus der Reihe.
„Lukas ist bei Herbert“, sagte Boerne. „Er fand das eine klasse Idee, bei seinem Großvater zu übernachten.“
Das konnte er sich lebhaft vorstellen. Hatten sie darüber gesprochen? Jedenfalls war er froh, wenn Lukas im Moment nicht bei ihm war. Er fühlte sich kaum in der Verfassung, mit einem anderen Erwachsenen zu reden. Noch viel weniger hätte er noch einem Kind erklären mögen, was passiert war.
„Was haben Sie ihm denn gesagt?“
„Gar nichts. Er hat nicht gefragt, ist ja schließlich Wochenende. Warum soll er da nicht mal bei seinem Großvater sein. Und ihr Vater hat sich auch gefreut.“
„Mhm.“ Er war ja nicht besonders begeistert von Herberts Leistung als Vater gewesen, aber als Opa machte er sich wirklich gut. Und im Vergleich zu anderen Vätern … aber nein, das war eine Richtung, in die er nicht schon wieder denken wollte.
„Wollen wir was kochen? Spaghetti aglio, olio e peperoncino? Ihr Vater hat mir ein paar Chilis aus seinem Garten mitgegeben, die sollen verboten scharf sein.“
„Klingt gut.“ Er versuchte sich zusammenzureißen. Das fehlte ihm noch, daß Boerne anfing sich Sorgen um ihn zu machen. Der sah ihn schon ganz komisch an. Und er wußte natürlich, daß er mit Max geredet hatte. „Schneiden Sie die Chilis?“
Boerne hob die linke Hand und wedelte mit einem Paar Einmalhandschuhe. „Ich bin gewappnet. Kümmern Sie sich um die Spaghetti, ich mache den Rest.“
„Teamwork.“
Boerne lächelte, und unwillkürlich kam die Erinnerung an den Moment mit der Staatsanwältin zurück. Wir sind ein Team. Da ist einer nicht ohne den anderen. Boerne hatte das todernst gesagt, aber bei allem Pathos, der da mitschwang, mußte er ihm doch rechtgeben. Sie waren ein Team. Es war erst ihr zweiter gemeinsamer Fall, aber sie arbeiteten zusammen wie eine gut geölte Maschine.
Das machte es leichter. Selbst in solchen Momenten.
***
Chapter 12: Status Quo (Boernes POV)
Summary:
Nach dem Ende von Fakten, Fakten.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt: R/I Joker (Inspiration)
Genre: h/c, Pre-Slash if you squint
Länge: ~ 900 Wörter
Zeit: ~ 100 Minuten
A/N: Jetzt habe ich alles gepostet, was noch zwischen die schon geposteten Kapitel gehörte. Ab jetzt geht es ordentlich am Ende weiter :)
Chapter Text
***
Der Fall war wirklich harter Tobak gewesen. Er beneidete Thiel nicht darum, dem Jungen die Nachricht überbringen zu müssen. Dieses eine Mal blieb er gerne außen vor. Obwohl er wußte, wie schwer das für Thiel sein mußte. Einem Kind sagen zu müssen, daß die Mutter tot war, war immer schwer. Wenn er noch dazu eine Beziehung zu dem Kind aufgebaut hatte, war es noch schwerer. Aber er hätte auch nicht gewußt, wie er Thiel in diesem Moment hätte helfen können.
Wenigstens konnte er in praktischen Dingen weiterhelfen. Er holte Lukas von der Geburtstagsfeier seines Freundes ab und brachte ihn zu Herbert – eine spontane Idee. Thiel hatte schon vor einiger Zeit eine Übernachtung bei Lukas Großvater vorgeschlagen; offensichtlich hielt er Kind und Großvater inzwischen für reif genug für ein solches Unterfangen. Warum also nicht dieses Wochenende? Lukas war von der Idee mehr als angetan – vermutlich, weil sein Großvater es mit der erzieherischen Disziplin nicht gar so eng sah – und Herbert arbeitete an diesem Wochenende nicht und war ebenso erfreut. Und Thiel bekam so ein wenig Zeit für sich selbst.
Zum Glück hatte die Aussicht auf ein Wochenende bei seinem Großvater Lukas so abgelenkt, daß er keine Fragen zu ihrem aktuellen Fall stellte. Er fand ja grundsätzlich, daß man Kindern mehr zutrauen konnte, als allgemein angenommen wurde. Aber es gab Dinge, vor denen er den Jungen doch lieber noch beschützen wollte. Wie grausam Menschen sein konnten, würde er noch früh genug erfahren. Und Thiel wollte sowieso nicht, daß sein Sohn zu viel von seiner Arbeit erfuhr; das konnte er in diesem Fall mehr als nachvollziehen.
Als er zurückkam, hatte die Abenddämmerung schon eingesetzt. Er klopfte sachte und öffnete dann die Wohnungstür. Thiel saß noch genau so am Küchentisch, wie er ihn verlassen hatte. Kein gutes Zeichen. Aber dann schaffte er es doch, den anderen zum Kochen zu motivieren. Essen half meistens, und außerdem gab es ihnen etwas zu tun. Wenn er ehrlich war, konnte er die Ablenkung auch gut gebrauchen.
***
Eine ordentliche Portion Spaghetti und Thiel Seniors wirklich teuflisch scharfe Chilis hatten die Stimmung wieder gehoben. Wenn er sich nicht irrte, hatte er da sogar ein kleines Lächeln gesehen, als er aufgrund der Schärfe die Krawatte lockern mußte. Wenn Hitzewallungen sich so ähnlich anfühlten, konnte er die Klagen seiner Mutter endlich verstehen.
Aber dann war Thiel doch wieder auf den Fall zurückgekommen.
„Können Sie sich das vorstellen? Er muß die Frau doch irgendwann einmal geliebt haben. Und den Jungen …“ Thiel brach ab. „Wie kann er ihm sowas antun?“
Er kannte den Typ. Übersteigertes Ego und Anspruchsdenken, die Welt hatte den eigenen Regeln zu folgen, und wehe, wenn jemand nicht nach seiner Pfeife tanzte. „In seinen Augen hat man ihm genommen, was ihm zusteht. Solche Menschen sind äußerst gefährlich.“
„Ich weiß, was Sie meinen. Aber das Kind … Können Sie sich vorstellen, ein Kind einfach nicht mehr zu lieben, bloß weil es nicht Ihr eigenes ist?“
„Nein.“ Boerne zögerte. „Aber ich bin ja auch kein krimineller Gewalttäter. Und ich fürchte, Kraft hat nie jemanden wirklich geliebt.“
„Wahrscheinlich haben Sie recht.“
Natürlich hatte er recht. Er hatte immer recht. Aber diesmal verkniff er sich den Kommentar, auch weil er wußte, daß das zwar stimmte, aber im Augenblick trotzdem nicht weiterhalf. Weil es, egal von welcher Seite man es betrachtete, einfach unvorstellbar war.
„Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, daß weder Sie noch ich uns sowas vorstellen können.“
Er sah Thiels Mundwinkel zucken. Ein halbes Lächeln, aber nicht von der Sorte, die er sonst oft sah, wenn Thiel nicht zugeben wollte, daß ihn etwas amüsierte. Das war die Art todtrauriges Lächeln, die er nie wieder auf Thiels Gesicht sehen wollte.
„Bleiben Sie noch auf ein Bier … oder was Stärkeres?“
Die Einladung selbst war nicht so überraschend, aber Thiels Blick war es. Darin lag etwas, was er nicht wirklich einordnen konnte. Boerne zögerte. Er konnte gut verstehen, daß der andere im Moment nicht alleine sein wollte. Und doch. Und doch fühlte sich das an, als würde er sich auf unbekanntes Gebiet vorwagen. Ein Risiko eingehen, ohne daß er so genau wußte, welches eigentlich. Aber er wußte aus Erfahrung, daß es nicht klug war, emotionale Verletzlichkeit mit Alkohol zu mischen. Das hatte ihm in der Vergangenheit jedenfalls noch nie gutgetan und er war sich sicher, daß es auch Thiel mehr schaden als helfen würde.
„Denken Sie, das ist eine gute Idee jetzt? Alkohol?“
Thiel sah ihn einen Moment schweigend an, dann nickte er. „Wahrscheinlich nicht.“
***
Als er sich eine gute Stunde später – nach einem Tee – verabschiedete, war alles wieder beim Alten. Natürlich war Thiel immer noch angeschlagen, und auch er selbst hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Aber zwischen ihnen fühlte es sich wieder an wie immer. Der Moment, was auch immer das gewesen war, war verflogen. Und das war gut so. Stabilität, Verläßlichkeit war eine gute Sache. Er gab es nicht gerne zu, aber nur weniges seiner Freundschaften hatten lange gehalten. Dreiden war eine Ausnahme, aber Dreiden und er waren sich auch nicht wirklich nahe. Thiel hingegen … sie kannten sich ja noch gar nicht so lange, aber trotzdem war da mehr. Eine Art von Vertrautheit, die er nur selten erlebt hatte mit einem anderen Menschen. Vielleicht, weil sie so viel von ihrem Alltag teilten, wegen der Nachbarschaft und der Arbeit. Das machte es leicht. Und dann war da natürlich auch noch Lukas. Der Status Quo war ein wirklich guter Ort, und wenn es nach ihm ging, würde sich das nicht so schnell ändern.
***
Chapter 13: Alleinerziehend (Thiels POV)
Summary:
Alleinerziehend zu sein, stellt Thiel immer wieder vor neue Herausforderungen. Zum Glück ist er damit nicht ganz allein.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2022): Romantik/Intimität – Jahrestage – fürs Team
Genre: Slice of life, Humor, AU – Canon divergence
Länge: ~ 600 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
Chapter Text
***
„Haben Sie wirklich keine Geburtstagsparty für Ihren Junior geplant?“
Thiel sah auf und verschüttete fast die Hälfte des Waschpulvers. „Mist.“
„Das sehe ich genauso.“ Boerne stellte seinen Wäschekorb ab und drehte sich zu ihm um. „Der Junge wird schließlich nur einmal dreizehn.“
„Also erst mal geht Sie das ja wohl gar nichts an. Und außerdem gibt es natürlich eine Geburtstagsfeier. Er kann seine Freunde doch einladen.“
„Zu Kaffee und Kuchen?“ Boerne hob eine Augenbraue. „Vielleicht auch noch Topfschlagen?“
Thiel verdrehte die Augen. Ja, er wußte auch, daß so etwas nicht seine Stärke war. Susanne hatte sich immer um solche Dinge gekümmert. Geburtstagspartys. „Früher hat man da auch nicht so ein großes Ding draus gemacht.“
„Früher haben wir auch alle noch mit kurzen Hosen auf der Straße gespielt.“ Boernes Sarkasmus war kaum zu überhören. „Die Zeiten haben sich geändert, Thiel.“
„Für diese organisierten Kindergeburtstage ist er jetzt aber eigentlich schon zu alt.“ Er drückte die Tür der Waschmaschine zu. Und ja, das klang vielleicht ein wenig defensiv, aber für einen Fast-Dreizehnjährigen konnte er doch nicht mehr auf das Programm früherer Jahre zurückgreifen. Schatzsuchen. Burgen mit Kinderführung. Ein Ausflug ins Schwimmbad oder, noch schlimmer, in jenes Grauen, das sich Indoor-Spielplatz nannte. Müssten jetzt nicht langsam Teenager-Partys anfangen und Eltern dabei total abgesagt sein?“
„Naja …“
„Hat er Ihnen etwa was anderes erzählt?“
„Ich glaube, er würde sehr gerne mit seinen Freunden Laser tag spielen.“
„Laser tag?“ Thiel runzelte die Stirn. „Das hat er Ihnen erzählt? Und wieso sagt er mir kein Wort davon?“
„Also, direkt erzählt jetzt nicht.“
„Aha!“
„Aber er hat ganz begeistert davon erzählt, daß Jonas seinen Geburtstag in der Münsteraner World of Laser tag gefeiert hat und Yannis bei Lasertag Universe. Das war recht eindeutig.“ Boerne räusperte sich. „Und wieso er Ihnen nicht erzählt, daß er sich das für seinen Geburtstag wünscht … Nun, wenn ich es recht verstehe, waren Sie davon gar nicht begeistert. Das ist möglicherweise ein Grund für seine Zurückhaltung.“
„Das ist ja auch bescheuert. Militaristischer Kram.“ Er kam sich plötzlich vor wie Herbert, aber trotzdem. „Ich find’s jedenfalls nicht gut, wenn die sich da gegenseitig abknallen. Davon hab‘ ich auf der Arbeit genug.“
„Ich wußte gar nicht, daß sie so ein Pazifist sind, Herr Kollege“, entgegnete Boerne schnippisch, um dann in neutralerem Ton fortzufahren. „Das ist doch nur ein Spiel. Haben Sie früher nicht Cowboy und Indianer gespielt?“
„Sagen Sie mal, für wie alt halten Sie mich eigentlich? Kurze Hosen, Cowboy und Indianer … Sie wissen aber schon, daß meine Kindheit auch schon in den Siebzigern war?“
Boerne zuckte die Achseln. „Dann eben Jedis gegen das Imperium oder was auch immer bei Ihnen angesagt war. Am Ende kommt es doch immer aufs Gleiche raus, es wird gekämpft und geschossen.“
Thiel rollte die Augen. Als der erste Star Wars Film rauskam, war er schon ein bißchen über das Alter raus gewesen, in dem man noch spielte. Wobei … eigentlich war er da nur vier Jahre älter gewesen als Lukas jetzt. Was für ein erschreckender Gedanke. Nächstes Jahr, spätestens übernächstes Jahr würde Lukas wohl kaum noch etwas davon wissen wollen, daß er sich um irgendwelche Geburtstags-Events kümmerte. „Laser tag also.“
Boerne nickte. „Die bieten da so Komplett-Pakete für Geburtstage an. Da müssen Sie nicht mal selbst Kuchen backen.“
„Na Gott sei Dank.“
Sie gingen schon wieder die Treppe zu Ihren Wohnungen hoch, als ihm noch was einfiel.
„Haben Sie sich etwa schon nach den verschiedenen Angeboten erkundigt?“
„Nächstes Wochenende wäre noch was frei. Bei Lasertag Universe. Soll cooler sein als die Münsteraner World of Laser tag, wenn ich Ihren Sohnemann richtig verstanden habe. Ist allerdings auch ein bißchen teurer …“
* tbc *
Chapter 14: Zu spät (Thiels POV)
Summary:
Er merkt es erst, als es schon zu spät ist.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): Romantik / Intimität – Teil der Familie – fürs Team
Genre: möglicherweise Pre-Slash
Länge: ~ 300 Wörter
Zeit: ~ 30 Minuten
Chapter Text
***
„Kommt Boerne nicht mit?“
„Der spielt am Wochenende irgendwo Golf.“ Er streckte sich, um seinen Schal von der Garderobe zu holen, und stockte erst, als er schon dabei war ihn sich um den Hals zu wickeln. Natürlich hatte er Boerne nicht gefragt, ob er am Sonntag mit ihm und Lukas in den Zoo gehen wollte. Warum sollte er? Aber Lukas hatte das anscheinend erwartet.
Bloß weil sie an den meisten anderen Wochenenden etwas zusammen unternommen hatten? Das hatte sich halt so ergeben, eher unabsichtlich. Boerne kannte sich gut aus in Münster und wußte, wo man gut schwimmen gehen konnte oder was die beste Freifläche zum Drachensteigen war. Was allerdings nicht erklärte, warum er sich vor zwei Wochen Lukas Fußballspiel angesehen hatte, als Thiel Wochenenddienst gehabt hatte. Und das, obwohl er sich nicht die Bohne für Fußball interessierte. Oder warum er sie beide bei dem Legoland Ausflug gefahren hatte, als sein Vater diese lukrative Wochenendtour fahren musste. Oder warum er mit Vaddern und Lukas angeln gewesen war, als er für das St. Pauli Spiel nach Hamburg gefahren war.
„Schade.“ Lukas band sich gerade die Schuhe zu und nuschelte ein bißchen. „Dann kommt er eben das nächste mal mit.“
Wieso war ihm das nicht früher aufgefallen? Kinder gewöhnten sich so schnell an Menschen … Und was, wenn Boerne morgen nicht mehr da war? Boerne war nicht wirklich Teil ihrer Familie. Wenn er morgen beispielsweise eine attraktive Stelle woanders angeboten bekam, war er weg. Der nächste Mensch, der einfach so aus Lukas Leben verschwand.
Er mußte sich setzen.
„Gehen wir als erstes zu den Erdmännchen?“ Lukas strahlte ihn an. „Weißt du, daß die eine Gemeinschaft ähnlich wie Bienen bilden, obwohl es keine Insekten sind?“
„Tatsächlich …“
„Ja, auch die Erdmännchen werden von einem dominanten Weibchen angeführt, und wie eine Bienenkönigin ist sie die einzige in der Kolonie, die sich fortpflanzt.“
Es war schon zu spät.
***
Chapter 15: Seelentröster (Thiels POV)
Summary:
Thiel verbringt den Sommer alleine. Wobei … ganz alleine eigentlich auch nicht.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): Fluff - Lieblingsessen - fürs Team
Genre: Fluff, möglicherweise Pre-Slash
Länge: ~ 850 Wörter
Zeit: ~ 100 Minuten
Chapter Text
***
„Kommen Sie doch morgen Abend vorbei. Ich koche.“
„Gerne. Wann?“
„So gegen sieben.“ Boerne verschwand in der offenen Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. „Und bringen Sie Bier mit.“
Thiel unterdrückte ein Grinsen, als er selbst in seiner Wohnung verschwand. Boerne hatte es inzwischen wohl aufgegeben, ihm Wein doch noch schmackhaft machen zu wollen. Nach nur zwei Versuchen, er hätte da ja mehr Beharrlichkeit erwartet. So halsstarrig, wie Boerne bei allem anderen war.
Zwei Versuche … hatte der andere ihn wirklich schon zum dritten Mal zum Essen eingeladen? Vermutlich dachte Boerne, er brauche Aufmunterung. Dabei konnte er nun wahrlich auch einmal ein paar Wochen alleine verbringen, ohne daß ihm gleich die Decke auf den Kopf fiel. Es war ja auch mal ganz schön, keinen präpubertierenden Teenager im Haus zu haben und tun und lassen zu können, worauf man Lust hatte.
Die Wochenenden zogen sich allerdings schon ganz schön lange. Und es waren immer noch zwei Wochen, bis Lukas wieder zurück war. Das war dann auch schon fast das Ende der Sommerferien. Na, zumindest hatte er dieses Jahr dann keinen Betreuungsengpaß. Allerdings auch keinen richtigen gemeinsamen Sommerurlaub. Thiel seufzte. Aber natürlich hatte er zugestimmt, daß seine Ex-Schwiegereltern Lukas mit nach Neuseeland nahmen, damit er seine Mutter besuchen konnte. Und natürlich hatte er verstanden, daß sich so eine weite Reise nicht für drei Tage lohnte. Und natürlich hatte er den Jungen die übrigen elf Monate des Jahres.
Aber eben nicht diesen Monat.
***
Erst als er pünktlich um sieben mit einem Sixpack unterm Arm an Boernes Tür klingelte, fiel ihm ein, daß er vielleicht noch etwas anderes hätte mitbringen sollen. Um sich für die Einladung zu revanchieren, machte man das nicht so? Aber was? Er konnte Boerne ja schlecht Blumen mitbringen. Von Wein hatte er keine Ahnung, Bier trank der andere nicht, und was zu essen zu einer Essenseinladung mitzubringen war ja auch irgendwie unsinnig. Und jetzt war es eh zu spät.
Stattdessen gab er sich besonders große Mühe weder zu grinsen noch einen dummen Kommentar abzugeben, als er Boernes Schürze sah. Nicht, daß er den praktischen Wert einer Schürze nicht zu schätzen gewußt hätte seit er selbst kochte, aber er hatte sich doch ein etwas maskulineres Modell ausgesucht. Nichts mit Rüschen. So hastig, wie der andere die Schürze abnahm und betont unauffällig zu Seite legte, hatte er das gute Stück vermutlich auch gar nicht zu sehen kriegen sollen.
„Die ist noch von meiner Frau“, erklärte Boerne ungefragt. „Eigentlich wollte ich schon längst was anderes … aber sie ist tatsächlich ziemlich praktisch. Und quasi neu, meine Frau war keine große Köchin. Wollen Sie das Bier noch kaltstellen?“
Gute Idee. Er stellte eine Flasche auf den bereits gedeckten Tisch und ging mit dem Rest zum Kühlschrank, als er plötzlich einen vertrauten Duft registrierte.
„Dicke Bohnen mit Speck?“
Boerne nickte.
„Die hatte ich ja schon ewig nicht mehr!“ Er liebte dicke Bohnen, aber leider Gottes ging das Gericht so gar nicht an Lukas. Dabei gab es nichts Besseres.
„So ein Zufall.“ Boerne räusperte sich. „Ich dachte, ich mache uns mal einen westfälischen Klassiker.“
„Mhm …“ Er musterte den anderen scharf. „Die Idee ist Ihnen ganz plötzlich gekommen, einfach so?“
„Ja nun, in Münster ist das ja durchaus naheliegend, und da ich weiß, daß Sie die deftige Küche schätzen …“
Das stimmte wohl, aber daß Boerne jetzt ausgerechnet sein Lieblingsgericht erwischt hatte, lag vermutlich eher an dem Gespräch, das er letztens mit Herbert geführt hatte. Und er hatte sich schon gewundert, was die beiden so lange zu bereden hatten, und wieso Boerne ausgerechnet Herberts Taxi erwischt hatte, nachdem er seinen Wagen zur Inspektion in die Werkstatt gegeben hatte. Sicher auch so ein Zufall.
***
Zwei Teller dicke Bohnen später hatte sich seine Irritation in Wohlgefallen aufgelöst. Ja, man mußte ihn wirklich nicht bemuttern, bloß weil Lukas mal ein paar Wochen weg war. Und diese Heimlichkeiten waren auch echt nicht nötig, Boerne hätte ihn ja auch einfach fragen können. Aber das alles verlor rapide an Bedeutung, wenn sein Lieblingsessen – nach dem Rezept seiner Oma! – vor ihm auf dem Tisch stand. Und vielleicht, ja vielleicht war er doch ein ganz klein wenig deprimiert gewesen, so ganz alleine. Und dagegen halfen dicke Bohnen und ein Bier und die Tatsache, daß er jetzt nicht alleine mit einer Fertigpizza in seiner Wohnung saß, eben doch ganz gut.
Und just in dieser Stimmung fiel ihm ein, wie er sich für die Einladungen revanchieren konnte. „Haben Sie eigentlich nächstes Wochenende schon was vor?“
Boerne schüttelte überrascht den Kopf.
„Dann kommen Sie doch mal zum Essen zu mir. Lukas behauptet zwar was anderes, aber ich bin eigentlich auch ein ganz guter Koch.“
Es wäre doch gelacht, wenn er nicht in der Lage wäre, seinerseits Boernes Lieblingsessen herauszufinden. Wozu war er schließlich Hauptkommissar! Gleich morgen würde er Frau Haller verhören … äh, befragen. Und wenn das nicht weiterhalf, würde er diese Schwester ausfindig machen, die Boerne hin und wieder erwähnte. Und dann blieb nur noch zu hoffen, daß Boernes Lieblingsgericht irgendwas Bodenständiges war, was er auch kochen konnte, und nicht irgend so ein französisches Chichi. Aber eigentlich war er da ganz zuversichtlich … so ein Seelentrösteressen war ja meistens was aus der Kindheit. Und die hatte ja wohl auch bei Boernes nicht aus gehobener französischer Küche bestanden.
***
Chapter 16: Sport ist Mord 1 (Boernes POV)
Summary:
Jetzt hatte er schon zum dritten Mal die Ehre, dem jungen Thiel beim Fußballspielen zuzuschauen.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2024): h/c – gebrochene Knochen – fürs Team
Genre: möglicherweise Pre-Slash, h/c
Länge: ~ 900 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
Chapter Text
***
Jetzt hatte er schon zum dritten Mal die Ehre, dem jungen Thiel beim Fußballspielen zuzuschauen. Thiel hatte mal wieder Wochenenddienst, und irgendwer mußte den Jungen ja begleiten, zumindest für Auswärtsspiele. In Münster bestand Thiel darauf, daß Lukas alleine mit dem Rad zum Training und zu den Spielen fuhr, wenn niemand Zeit hatte mitzukommen. Aber bis nach Wolbeck konnte er ja nun schlecht radeln, jedenfalls fand Boerne, daß das eindeutig zu weit war für ein Kind.
Naja, es gab schlimmeres, als einen sonnigen Samstagnachmittag im Freien zu verbringen. Inzwischen kannte er einige der anderen Eltern oder vielmehr Mütter und wußte, daß es üblich war, etwas zu essen mitzubringen. Seine deftigen Muffins fanden begeisterte Abnehmer und der Prosecco, den die Mutter von Lukas bestem Freund mitgebracht hatte, war gar nicht mal so übel.
„Noch ein Glas?“ Marion winkte mit der halbleeren Flasche.
„Danke, ich muß noch fahren.“ Nicht vorzustellen, was Thiel dazu sagen würde, wenn er unter Alkoholeinfluß mit seinem Sohn im Auto unterwegs war. Um ihn herum wurde gejubelt, und er schaute wieder zurück aufs Feld, wo Lukas Mannschaft gerade einen Vorstoß Richtung Tor machte. Aber bevor es noch zu einem ernsthaften Schuß kommen konnte, hatte die gegnerische Mannschaft den Ball schon wieder und das ganze wogte zurück auf ihre Seite. Hatte fast etwas Meditatives, so ein Fußballspiel. Auch wenn er nach wie vor nicht verstand, warum es so viele Regeln gab, die es erschwerten, ein Tor zu schießen. Marion hatte ihm letztens eine Halbzeit lang die Abseitsregeln erklärt, und er fand das immer noch unlogisch. Warum jemanden bestrafen, der es schaffte mit dem Ball ganz nach vorne zu kommen?
Jetzt wurde zumindest wieder ihr Tor angegriffen und er paßte auf, weil Lukas in der Verteidigung spielte. Wenn der Junge heldenhaft ein Tor verhinderte, wollte er das nicht verpassen. Es gab ein kurzes Getümmel – nicht unüblich bei den Kleinen, hatte ihm einer der Väter erzählt, und im nächsten Moment sah er Lukas am Boden liegen. Auch das nichts Ungewöhnliches, die Spieler fielen wie die Fliegen. Insgeheim war es wohl ihr Ziel, die Trikots so dreckig wie möglich zu machen. Vor allem heute, wo er alles mitnehmen und waschen mußte. Auch das so eine nette Sitte, von der Thiel ihm nichts erzählt hatte.
Daß Lukas immer noch am Boden lag, war ungewöhnlich.
Boerne spürte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten. Selbst aus der Entfernung konnte er den schmerzverzerrten Ausdruck in Lukas Gesicht sehen. Er dachte gar nicht weiter nach, er rannte einfach los.
***
„Was tut dir weh?“ Er kniete neben Lukas und tastete vorsichtig Kopf und Nacken ab. Zu seiner Erleichterung schien nichts verletzt zu sein.
„Mein Arm“, sagte Lukas, während ihm Tränen übers Gesicht liefen.
Natürlich der rechte. Das war nicht ungewöhnlich, beim Fallen nahm man meist den stärkeren Arm, um sich abzufangen. Was man natürlich nicht tun sollte, über den Rücken abrollen war die Devise. Aber der Hinweis hätte jetzt auch nichts mehr gebracht. „Langsam …“ Er stützte den Jungen und half ihm, sich aufzurichten und den verletzten Arm an den Körper zu ziehen. „So … gut festhalten. Wenn du den Arm nicht bewegst, läßt der Schmerz nach.“
Lukas schniefte.
„Ist dir schwindelig oder schlecht?“ In dem Getümmel hatte er nicht gesehen, ob der Junge sich den Kopf angeschlagen hatte. Aber Lukas schüttelte den Kopf, und das hätte er garantiert nicht getan, wenn er eine Gehirnerschütterung gehabt hätte.
„Soll ich den Notarzt rufen?“ Erst jetzt nahm er wahr, daß Lukas Trainer und einige andere Erwachsene um sie herumstanden.
„Ich bin selbst Arzt.“ Ein letzter Blick auf Lukas, und er entschied sich. „Es scheint nur ein einfacher Bruch zu sein. Ich fahre ihn ins Krankenhaus.“
„In Ordnung.“ Der Trainer – Mark? – übernahm die Initiative und scheuchte die übrigen beiseite. „Laßt dem Jungen mal ein bißchen Platz zum Atmen. Soll ich dir helfen, ihn zum Auto zu bringen?“
„Das schaffen wir schon.“ Er strich Lukas die Haare aus dem Gesicht. „Nicht wahr, Lukas?“
Lukas nickte. Er war schon lange nicht mehr so blaß wie am Anfang, und die Tränen liefen nicht mehr. „Guter Junge. Und jetzt hoch mit dir, aber ganz vorsichtig, damit du dir nicht nochmal weh tust.“
***
„Alles in Ordnung?“ Er warf einen Blick auf den Beifahrersitz. So still war Lukas sonst nie. „Tut es sehr weh?“
Lukas schüttelte den Kopf. „Fast gar nicht, wenn ich den Arm nicht bewege.“
Sollte er jetzt fragen, was los war? Oder sollte er ihn lieber in Ruhe lassen? Wäre Thiel nur hier, der wüßte besser, was zu tun war. Nicht medizinisch natürlich, aber … was alles andere anging. Gefühle und so.
„Papa wird schimpfen.“ Lukas ließ den Kopf hängen.
„Wieso sollte er denn …“ Gut, ganz unrecht hatte der Junge nicht. Er erinnerte sich an die Reaktionen seiner Eltern, sobald er irgendetwas kaputt gemacht oder sich verletzt hatte. Thiel war ein besserer Vater als sein eigener es gewesen war, aber es ließ sich nicht leugnen – er neigte dazu laut zu werden, wenn er sich aufregte.
„Paß mal auf, wenn du beim Arzt bis und geröntgt wirst, rufe ich deinen Vater an und erkläre ihm alles. Er wird froh sein, daß dir nichts Schlimmeres passiert ist.“
Wenn Thiel jemanden anbrüllte, würde er das sein. Bis er Lukas sah, hatte er sich dann schon wieder beruhigt.
„Mach dir keine Sorgen. Sowas kann jedem passieren. Du kriegst einen hübschen Gips, die Mädchen werden dich anhimmeln, und in sechs Wochen ist alles wieder gut.“
Lukas schnaubte.
Das klang, als hätte er alles richtig gemacht.
***
Chapter 17: Sport ist Mord 2 (Lukas POV)
Summary:
Nach dem Sportunfall.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt (2025): Sinneseindrücke – Reizüberflutung – fürs Team
Genre: mild h/c
Länge: ~ 750 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
***
Wirklich weh tut der Arm eigentlich nicht, solange er ihn gut fest und ruhig hält. Das Ablegen fürs Röntgen ist doof, aber sobald er liegt, ist es wieder gut. Und er darf nicht so viel darüber nachdenken, daß da was gebrochen ist, sonst wird ihm schlecht. Dabei blutet er nicht mal, zum Glück, denn das letzte Mal, als er Nasenbluten hatte, ist er glatt umgekippt. Und Papa war auch ganz schön bleich, das liegt wohl in der Familie.
Also Arzt wird er nicht, so viel ist sicher.
Obwohl Boerne sein eigenes Blut auch nicht sehen kann, hat er wenigstens behauptet. Vielleicht muß er das mal noch mit Fremdblut ausprobieren. Arzt will er trotzdem nicht werden, er findet das hier ganz furchtbar. Das Licht ist zu grell, es sind viel zu viele Menschen da, ständig bewegt sich jemand oder etwas. So viele Menschen reden, und die Durchsagen, und wenn mal einen Moment Ruhe ist, piept irgendwo etwas oder ein Alarm geht los und Leute rennen an ihnen vorbei. Von dem Geruch nach Desinfektionsmittel wird ihm ganz flau im Magen, aber noch schlimmer ist die Angst, die er geradezu riechen kann. Alles andere kann er einigermaßen ausblenden, er kann die Augen zumachen, er kann versuchen sich die Ohren zuzuhalten (nicht einfach mit nur einer Hand), aber die Gerüche, die Gerüche kann er nicht ausblenden.
„Lukas?“
Eine Hand auf seiner Schulter läßt ihn aufschrecken. „Alles in Ordnung?“ Boerne schaut ihn besorgt an.
„Ja.“ Natürlich ist alles in Ordnung. Er hat sich nur den Arm gebrochen, ein einfacher Bruch, hat der Arzt gesagt. Der Arm ist schon eingegipst. Alles ist in Ordnung, sie warten nur noch auf seinen Vater, weil Boerne ihn zwar ins Krankenhaus bringen konnte, ihn aber nicht abholen kann. Entlassen werden muß er an einen Erziehungsberechtigten, hat die Frau am Schalter gesagt. Er zuckt zusammen, als der nächste Alarmton losgeht und mehrere Namen über die Lautsprecheranlage durchgerufen werden. Zimmer 102. Was passiert jetzt in Zimmer 102? Stirbt dort jemand, während er hier auf seinen Vater wartet?
„Komm …“ Boerne zieht ihn an seinem gesunden Arm auf die Beine. „Wir gehen mal aus dem Weg. Auf deinen Vater können wir auch vor dem Eingang warten.“
Vorm Haupteingang gibt es einige Bänke im Schatten. Er atmet auf, als sie raus sind aus dem Lärm und dem Licht. Kein Desinfektionsmittel mehr, nur der Rauch von den ganzen Rauchern, die vor der Tür stehen. In Schlafanzügen und Krankenhauskitteln zum Rauchen. Boerne setzt sich neben ihn, so daß er nur noch ins Grüne schaut … und auf den Parkplatz, der friedlich in der Sonne liegt.
Hier findet sie sein Vater, als er einige Zeit später endlich auch ankommt. Lukas hat völlig das Gefühl für die Zeit verloren, die vergangen ist, seit der Libero der gegnerischen Mannschaft gegen ihn geknallt ist. Er ist nur froh, daß er wieder raus ist aus dem Krankenhaus, und er ist froh, daß sein Vater nicht schimpft, sondern sich ganz ruhig neben ihn setzt und den Arm um ihn legt.
„Tut dir was weh?“
Er schüttelt den Kopf. Der Arm tut schon lange nicht mehr weh; seit er eingegipst wurde, ist alles in Ordnung. Nur daß er jetzt irgendwie schwer und unhandlich im Weg rumliegt und zu nichts nutze ist. „Ich kann die nächsten sechs Wochen nicht spielen“, sagt er, und jetzt treten ihm doch Tränen in die Augen, so sehr er auch dagegen ankämpft. Dabei ist das doch wirklich nicht schlimm. So wichtig ist Fußball jetzt auch nicht.
„Na, na …“, sagt sein Vater, und dann küßt er ihn, so wie früher, als er noch klein war. „Wir fahren jetzt erst mal heim, dann mache ich dir einen Kakao, und dann schauen wir weiter.“
„Wo ist Boerne?“ Erst jetzt fällt ihm auf, daß sie alleine sind. Und daß die Sonne schon lange nicht mehr hoch am Himmel steht. Wann ist Boerne weg?
„Der holt schon mal den Wagen.“ Sein Vater lächelt, als hätte er einen Witz gemacht. „Dein Opa konnte mich nicht fahren, der ist gerade in Düsseldorf zur Taxi-Demo. Und mit dem Bus hat das ganz schön gedauert hier raus. Da ist er schon.“
Boerne steht direkt vorm Haupteingang und winkt ihnen zu. Sie steigen ein, und sein Vater hilft ihm sich anzuschnallen. Er hört noch, wie die zwei über irgendetwas streiten. Über den Parkplatz? Boerne sagt Na und, da steht doch gerade niemand. Der Herr leitende Krankenhausdirektor wird das schon verkraften. Aber in der nächsten Kurve sackt er gegen seinen Vater – nicht so rasant, Boerne – und schließt die Augen. Nur ein paar Sekunden. Und dann ist er erst mal weg.
***
Notes:
Wer ist älter als Lukas und hat die Derrick Anspielung erkannt? ;)
Chapter 18: Thiel begegnet dem Outsider POV (Thiels POV)
Summary:
Showdown auf dem Schulfest.
Notes:
Sommerchallenge-Prompt: Romantik / Intimität – „Wie, ihr seid gar nicht zusammen?“ – fürs Team
Genre: Pre-Slash, Humor
Länge: ~ 450 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
Chapter Text
***
Kuchenstand auf dem Schulfest – manchmal konnte man einfach nicht gewinnen. Er sah sehnsüchtig zum Getränkestand hinüber, wobei … Alkohol gab es natürlich keinen. In Momenten wie diesen bedauerte er die Trennung besonders. Das hier wäre definitiv Susannes Job gewesen. Außer ihm war kein anderer Vater bei irgendeiner Schicht zu sehen. Thiel seufzte.
„Hier.“ Marion hielt ihm eine Tasse Kaffee hin und er griff automatisch zu. Die letzten Nächte waren kurz gewesen, er konnte Koffein gebrauchen. Er nahm einen großen Schluck und hätte sich fast verschluckt. Marion klopfte ihm beruhigend auf den Rücken, während er nach Luft schnappte.
„Was …“ Er hustete und setzte neu an. „Was zum Teufel …“
„Ich dachte, du kannst eine Aufmunterung brauchen.“ Sie zwinkerte ihm zu und ließ einen Flachmann aus ihrer Jackentasche schauen. „Irish Coffee.“
Er nahm noch einen Schluck … Nicht übel, wenn man wußte, was man trank.
„Wo hast du eigentlich Karl-Friedrich heute gelassen?“
„Hm?“ Er stutzte kurz, weil er noch nie gehört hatte, daß jemand Boernes Vornamen benutzte. „Boerne hat heute Wochenenddienst.“
Sie sah ihn überrascht an.
„Hat er dir nicht erzählt, daß er in der Rechtsmedizin arbeitet? Die müssen natürlich auch wochenends ran, so wie wir.“
„Du nennst ihn Boerne?“
„Äh … ja? Warum sollte ich meinen Kollegen nicht mit dem Nachnamen ansprechen?“
„Wie, ihr seid gar nicht zusammen?“
„Ähm …“ Er starrte sie an. Wie in Gottes Namen … wobei … natürlich, sie hatten nie darüber gesprochen, und entweder war Boerne mit Lukas unterwegs gewesen oder er. Und natürlich mußte das aussehen, als ob … Wer würde schon glauben, daß jemand seinen Nachbarn mit seinem Sohn zu Fußballspielen und Schulveranstaltungen gehen ließ. Boerne hatte die Kinder damals zum Laser-Tag gefahren zu Lukas Geburtstag. Und letzten Monat war Boerne als Begleitung mit auf Lukas Wandertag gewesen als er krank geworden war. Damit das nicht ganz ausfiel, und er hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, wie das aussehen mußte, oder ob das eigentlich O.K. war, wenn da irgendein x-beliebiger Erwachsener mitfuhr, der mit keinem der Kinder in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stand. „Wir kennen uns ja von der Arbeit und da ist das so übrig geblieben.“ Verzweifelt suchte er nach irgendeiner glaubhafteren Erklärung. „Karl-Friedrich ist ja auch irgendwie ein bißchen lang.“
Marion schnaubte. „Ich hab‘ schon an meiner Menschenkenntnis gezweifelt.“
Er lachte. Leicht hysterisch, aber das schien Marion nicht aufzufallen. Hatte er die Sache jetzt schlimmer oder besser gemacht? Und was würde passieren, wenn jemand von den anderen Eltern entsprechende Andeutungen gegenüber Boerne machte? Er mochte Marion, aber sie war nicht gerade die verschwiegenste. Wenn sie dachte, daß Boerne und er ein … ein Paar waren, dann hatten das auch schon andere Eltern gehört. Und jetzt hatte er das ja quasi bestätigt.
Er mußte dringend mit Boerne reden.
***
KeinButterdieb on Chapter 1 Sun 11 Jul 2021 02:23PM UTC
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cricri on Chapter 1 Mon 12 Jul 2021 04:13PM UTC
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Blackbird_y on Chapter 1 Wed 01 Feb 2023 12:43AM UTC
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cricri on Chapter 1 Fri 03 Oct 2025 02:26PM UTC
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Blackbird_y on Chapter 1 Sat 04 Oct 2025 07:57AM UTC
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Madame_LeFabulous on Chapter 2 Sun 18 Jul 2021 03:49PM UTC
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cricri on Chapter 2 Tue 09 Aug 2022 03:14PM UTC
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iflow on Chapter 2 Sun 18 Jul 2021 05:56PM UTC
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cricri on Chapter 2 Tue 09 Aug 2022 03:17PM UTC
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Hohl on Chapter 2 Mon 13 Oct 2025 06:31AM UTC
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Hohl on Chapter 3 Mon 13 Oct 2025 06:36AM UTC
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cricri on Chapter 3 Mon 13 Oct 2025 08:20PM UTC
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Hohl on Chapter 6 Mon 13 Oct 2025 06:42AM UTC
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iflow on Chapter 13 Wed 10 Aug 2022 07:15AM UTC
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Blackbird_y on Chapter 13 Wed 01 Feb 2023 12:53AM UTC
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Sarella_Sand on Chapter 13 Mon 22 Jul 2024 03:03AM UTC
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cricri on Chapter 13 Fri 03 Oct 2025 02:39PM UTC
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Sarella_Sand on Chapter 13 Fri 03 Oct 2025 09:54PM UTC
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cricri on Chapter 13 Sun 05 Oct 2025 08:56AM UTC
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iflow on Chapter 11 Mon 13 Oct 2025 08:12AM UTC
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steinstrand on Chapter 11 Mon 13 Oct 2025 09:12PM UTC
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Sherlock_likes_bees on Chapter 16 Fri 10 Oct 2025 08:56PM UTC
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cricri on Chapter 16 Sat 11 Oct 2025 07:50AM UTC
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steinstrand on Chapter 18 Mon 13 Oct 2025 09:34PM UTC
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frubeto on Chapter 18 Tue 14 Oct 2025 10:23AM UTC
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